750 Jahre Fronleichnam –
Die längste durchgehende Tradition
und christlicher Brauch in Habach

Dr. Josef Freisl, Ortschronist

 

Am 7.5. 1273 erteilt Bischof Hartmann von Augsburg dem Abt Ortolf des Klosters Benediktbeuern die Erlaubnis das Fronleichnamsfest zu feiern. Diese Urkunde ist das älteste Zeugnis für das Fronleichnamsfest in Süddeutschland.
In dieser Zeit war das Kloster Benediktbeuern von herausragender Bedeutung.
1275 verlieh Rudolf I. von Habsburg dem Abt, kraft seines Amtes im Kloster, die Reichsfürstenwürde. Zwei Jahre später 1277, verlieh Papst Johannes XXI. dem Abt das päpstliche Recht, das Pontifikalrecht, also Ring, Stab, Mitra und Sandalen tragen zu dürfen.

Man kann daher fast sicher davon ausgehen, dass schon ein Jahr später 1274 in Habach, dem damaligen Chorherrenstift Habach und den umliegenden Gemeinden das Fronleichnamsfest gefeiert wurde. Es ist somit die älteste, durchgehende Tradition und religiöser Brauch in unseren Pfarreien. Übrigens das Wort „Fronleichnam“ findet seine Wurzeln im Mittelhochdeutschen „Vrone Lichnam“ was des Herrn Leib bedeutet. Indem dieses Fest jährlich gefeiert wird, erinnert die Kirche eindringlich an das letzte Abendmal und die Zusage Jesu, in Brot und Wein präsent zu sein. Fronleichnam ist nicht nur ein religiöses Zeremoniell, das Fest zeigt auch den kulturellen Reichtum über Jahrhunderte, der diese Glaubenspraxis durchzieht.

750 Jahre Fronleichnam in Habach
Wenn man eine Generation mit 30 Jahren ansetzt, dann sind es fast 25 Generationen, die dieses Hochfest des „Heiligsten Leibes und Blutes Christi“ feierten. Eine unglaublich lange Zeit in guten wie in schlechten Zeiten.
Es fanden – soweit bekannt – immer zwei Prozessionen statt: Am Fronleichnamstag mit vier Altären vor den Häusern Haus Hauptstr. Nr. 10, Dürnhauser Str. 2, Hauptstr. 17 und Hauptstr. 5. Am Sonntag darauf, eine die am südlichen Ortsrand entlangführte, mit einem festen Altar an der Höhlmühler Str. 4 und drei weiteren, wechselnden Stationen. Die zweite Prozession wurde bis ungefähr 1975 durchgeführt. Bei Regen wurde in der Ulrichskirche mit den vier Seitenaltären gefeiert.

Seit Jahrhunderten schmückten die Habacher ihre Häuser, an die geöffneten Fenster wurden rote Tücher gehängt und eine Figur der Muttergottes hineingestellt. Entlang des Prozessionsweges wurden Birken als Symbol des Frühlings und der Fruchtbarkeit aufgestellt, die man einen Tag zuvor im Torfstich nördlich von Habach gefällt hatte. Der Prozessionsweg wurde mit frisch gemähten Gras und von Kindern gepflückten Blumen bestreut. Jedes Haus hisste eine weißblaue Fahne auf Dachboden oder Balkon zu Ehren des heiligsten Leibes und Blutes Christi. Der Umzug selbst folgte einer Jahrhunderte alten Prozessionsordnung, die die Reihenfolge der Funktionsträger und Gläubigen im Festtagsgewand noch heute festgelegt. Die Fronleichnamsprozession war Ausdruck lebendiger Volksfrömmigkeit und gelebten Brauchtums.

Die Fronleichnamsprozessionen wurden, so weit bekannt, fast immer durchgeführt. Nur in größter Not ist der feierliche Umzug ausgefallen, zum Beispiel am 10. Juni 1632, als die Schweden während des 30-jährigen Krieges ins Dorf einfielen und es plünderten, so dass die Habacher im nahen Achgraben für fast zwei Wochen Schutz suchten.

Aber es gibt auch Beispiele, in denen trotz erdrückender Probleme das Fronleichnamsfest in Habach gefeiert wurde:
So das Jahr 1816, in dem durch den Ausbruch des Vulkans Tambora 1815 in Indonesien, der größte Vulkanausbruch der Geschichte, monatelang Ascheregen den Himmel verdunkelte und sich das globale Klima abkühlte. Es ging als Jahr „ohne Sommer“ in die Geschichte ein, mit einer schrecklichen Hungersnot in Mitteleuropa auch hier in den Alpen. Die Habacher waren ausgehungert und von Entbehrungen geschwächt. Trotzdem oder gerade deswegen trugen sie an Fronleichnam, dem 13. Juni 1816, den Corpus Christi in einer Prozession mit vier Altären feierlich durch das Dorf. Es war die letzte große Hungersnot in Mitteleuropa, denn mit der Erfindung der Eisenbahn konnten später große Getreidemengen über weite Strecken befördert werden.

In der jüngeren Geschichte war auch 1945 ein Jahr tiefen Leides:
Drei Wochen nach Kriegsende wurde am 31. Mai 1945 bei sonnigem Wetter in unserer Gottlob unzerstörten Gemeinde Fronleichnam gefeiert, obwohl 49 junge Männer auf den Schlachtfeldern des 2. Weltkriegs gefallen oder vermisst waren, was bei den Familienangehörigen zu unsichtbaren, tiefen Wunden der Seele geführt hat. Damals war bis eine Woche vor dem Fronleichnamsfest die Situation in Habach sehr angespannt. Denn nach Kriegsende war Habach außerdem noch Entlassungsort für ca. 50.000 Wehrmachtssoldaten, organisiert von der amerikanischen Armee. Dazu mussten viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene in jedem Haus untergebracht werden.