Das Chor­herren­stift Habach von 1083 bis 1802

Das Chorherrenstift Habach von 1083 bis 1802

Dr. Josef Freisl, Ortschronist

1. Einleitung

Das Chorherrenstift prägte unser Dorf in der Vergangenheit, Auswirkungen sind zum Teil noch bis heute sichtbar, wie die Chorherrenhäuser entlang der breiten Hauptstraße. Als Quellen für diesen Überblick dienen nur zu einem geringen Teil Bücher, ein wesentlich größerer Teil der Information stammt aus Handschriften und Urkunden aus den verschiedensten Archiven: dem Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv, verschiedenen Klosterarchiven, Pfarrarchiv und den unterschiedlichsten Chroniken.

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2. Die Frühgeschichte Habachs

Wann wurde Habach gegründet oder das Gebiet um Habach zuerst besiedelt? Sichere Quellen oder Beweise gibt es hierzu – wie für die allermeisten Ortsgründungen – nicht. In einigen Chroniken taucht der Heilige Romedius auf. Während um 1750 der Augsburger Historiker Gailler, Romedius um 400 n. Chr. noch als Gründer Habachs vermutet, können wir heute diese legendäre Gestalt ausschließen. Nach neueren Forschungen wird seine Lebenszeit im 11. Jahrhundert vermutet, damit entfällt er als Gründer. Von römischen oder sogar vorrömischen Funden ist in Habachs Gemeindeflur nichts bekannt. Anfragen bei verschiedenen Stellen – so z.B. dem Prähistorische Museum in München – ergaben keinerlei Hinweise.

Ein plausibles Szenario für die Gründung Habachs ist folgendes: Die Gründung der Nachbarorte, Sindelsdorf, Antdorf und Söchering erfolgte vermutlich früher so um 500 n. Chr. Diese ebenen, weiten Fluren mit besserer Bodenqualität boten günstigere Voraussetzungen zur Sesshaftigkeit im Vergleich zu den doch hügeligen Fluren Habachs. Die guten Plätze wurden von den aus dem böhmischen Gebiet kommenden Bajuwaren wohl zuerst besiedelt. Habach könnte – einige Zeit nach unseren Nachbarorten – um 600-700 n. Chr. besiedelt worden sein. In dieser Zeit könnte auch die erste Habacher Kirche, die nach dem beliebten Bekehrungspatron der bayerischen Missionsperiode, dem Heiligen Georg benannt worden ist, sehr wahrscheinlich als Holzbau errichtet worden sein.

Die Gründung des Klosters Benediktbeuerns, das als Wirtschafts- und Rodungskloster um 730 gegründet wurde, brachte zusätzlichen Aufschwung für unsere Gegend. In dieser Aufbruchstimmung wurden fast planmäßig und zielstrebig Wohninseln und Wirtschaftszellen – also Riedschaften und Schwaigen – in damals noch unbesiedelte Gegenden gebaut.

Nach neueren Forschungen – von Dr. Weber vom Haus der Bayerischen Geschichte – gehörte Habach im 9. Jahrhundert zur Villikation Aidling. Eine Villa – ein Zentralgutshof – diente als Versorgungslager für die Königszüge nach Italien. So eine Villikation erstreckte sich über mehrere Dörfer. Diese Dörfer mussten dem Zentralgutshof zuliefern.

In einer alten Grenzbeschreibung des Klosters Benediktbeuern finden wir im damaligen „Habechtsstagna“ noch das lateinische Wort für stehendes Gewässer. Hier ist höchstwahrscheinlich das Gebiet westlich von Habach Richtung Habaching gemeint, das damals noch eine große seichte Wasserfläche war. Heute ist es teilweise trockengelegt wurde, bildet aber andererseits immer noch ein großes Filz.

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3. Die Zeit vor dem Stift

Mitte des 10. Jahrhunderts tritt eine bedeutende Persönlichkeit – die erste schriftlich belegte Person – in die Habacher Geschichte: Bischof Ulrich von Augsburg.

Bischof Ulrich besuchte fast regelmäßig nach Ostern die zu seinem Bistum gehörigen Klöster Feuchtwangen, Staffelsee, Füssen, Wiesensteig und Habach. Damit ist belegt, dass sich in Habach schon lange vor der Gründung des Chorherrenstifts ein Kloster befand. Dieses kleine Kloster, sehr wahrscheinlich ein Eigenkloster des Bischofs Ulrich, dürfte nach den Ungarneinfällen, die ca.50 Jahre dauerten und mit der Schlacht am Lechfeld 955 beendet waren, um 960 für kurze Zeit bestanden haben. Damals wurde schon ein Haus, in dem mehrere Priester lebten, als Klösterl bezeichnet. Die Priester verrichteten ihre tägliche harte Arbeit in der Landwirtschaft und waren außerdem für die Seelsorge zuständig.

Noch in seinem Todesjahr 973 besuchte Bischof Ulrich Habach und erfrischte sich am Ulrichsbrunnen, dies soll angeblich der älteste Ulrichsbrunnen im Bistum Augsburg sein.

In der von Dompropst Gerhard um 983 verfassten Lebensbeschreibung des Heiligen Ulrich, der „Vita Sancti Udalrici“, finden wir die erste schriftliche Erwähnung von Habach: „Monasterium Hewibahc“, also Kloster Habach. Dies bestätigt auch das Hauptstaatsarchiv in München. So hätte Habach schon 1983 sein 1000-jähriges Gründungsfest feiern können, zum Vergleich: Murnau feierte sein 850-jähriges Jubiläum und Penzberg sein 725-jähriges im Jahre 2000.

Wie lange das Kloster bestand lässt sich nicht mehr belegen. Sehr wahrscheinlich wurden die Habacher Priester schon bald nach dem Tod Ulrichs abgezogen und zur personellen Verstärkung der umliegenden Klöster eingeteilt, denn nach den Ungarneinfällen – die sehr brutal und verwüstend waren – waren viele Klöster zerstört und Jahre später erst wieder von Benediktinern oder Augustinern besiedelt worden, so Polling 1010 und Benediktbeuern 1031.

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4. Die Gründung des Chorherrenstifts

Knapp 100 Jahre nach Bischof Ulrich greift um 1060 ein dynamischer Mann ganz entscheidend in Habachs Geschichte ein: Graf Norbert von Hohenwart. Er war ein Adliger aus dem Huosigeschlecht aus der Linie Hohenwarter, die Ihren Stammsitz in der Nähe des heutigen Schrobenhausen hatten, seine Mutter stammte aus der Familie der Edlen von Weilheim. Ganz genau lässt sich seine Herkunft nicht bestimmen, da die schriftlichen Quellen dazu sehr spärlich sind.

Wie kam Graf Norbert von Hohenwart auf Habach, einen kleinen Weiler weitab von seinem Stammsitz? Zwei Punkte haben sich wahrscheinlich ergänzt. Zum einen hatte er in dieser Gegend ererbten Grundbesitz und zum anderen hatte er Verwandte auf der Huosiburg südlich von Dürnhausen.

Auf der mächtigen Huosiburg südlich von Dürnhausen am Schlossberg residierten die Grafen der Sigimare. Die Grafschaft der Sigimare erstreckte sich für ein knappes Jahrhundert von ca.1020 bis 1090 von der Loisach über die Südspitze des Starnberger Sees hinüber zum Ammersee über Polling bis nach Murnau. Walchensee und Kochelsee gehörten ebenfalls zur Grafschaft.

Graf Sigimar I. wird 1033 als Vogt des Klosters Benediktbeuern genannt. Ein Vogt war Vertreter von Klerikern in weltlichen Angelegenheiten, insbesondere vor Gericht. Sein Sohn Graf Sigimar II. und seine Gemahlin Kerpig begegnen uns in den Urkunden bei der Einweihung der Dürnhauser Martinskirche am 25.7.1063 durch seinen Bruder Bernhard, den Bischof von Velletri bei Rom. Sigimar II. war auch der erste Schirmvogt des Stifts Habach und ein sehr naher Verwandter von Graf Norbert. Nach dem Tod Sigimars III. um 1085 wurde die Grafschaft der Sigimare mit der von Dießen-Andechs vereint.

Die Burganlage bestand aus einer Vor- und Hauptburg mit einer Länge von 80 m. Außerhalb der Burganlage befanden sich Unterkünfte für das Gesinde. Die Huosiburg war Wohnsitz, befestigtes Verwaltungszentrum und eine Stätte des kulturellen Lebens. Heute noch ist die imposante Anlage im Ansatz zu erkennen.

Um 1350 mit dem allgemeinen Niedergang des Ritterums dürfte die Burg verlassen worden sein; die Steine sind zum Hausbau in Dürnhausen verwendet worden. Schon im Jahre 1400 wird in einer Urkunde schon einem „Burgstall“, also von einer verlassenen Burg berichtet. Das gleiche Schicksal dürfte auch die Burg Lichtenegg auf der Aidlinger Höhe ereilt haben. Diese zwei Burgen flankierten die südliche Dorflur von Habach.

Doch nun zurück nach Habach, zu Graf Norbert:

Von 1070 bis 1073 setzte er sein ganze Kraft in den Kirchenbau. Die erste Habacher Kirche, die Georgskirche, die nach der Weiheurkunde bereits zum dritten Mal erweitert wurde, baute er sehr wahrscheinlich in dieser Zeit von einem Holzbau in ein Mauerbau um. Von 1071 bis 1073 baute er die zweite Habacher Kirche, die Ulrichskirche. Am 13. Oktober 1073 wurde die Ulrichskirche vom Augsburger Bischof Embriko feierlich eingeweiht. Habach hatte nun zwei Kirchen. Die Georgskirche stand da, wo heute das Kriegerdenkmal steht. Die Ulrichskirche stand an demselben Platz, an dem die heutige Ulrichskirche steht. Beide Kirchen dürften der Dürnhauser Martinskirche ähnlich gesehen haben.

1079 wurde Graf Norbert von Kaiser Heinrich IV. als Bischof von Chur eingesetzt. Zu dieser Zeit war der Höhepunkt des Investiturstreites erreicht – mit dem Hauptstreitpunkt: wer darf Bischöfe einsetzen? Der Kaiser oder der Papst? Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. waren die Kontrahenten in diesem Streit.

Graf Norbert wurde schon 1085 wieder von seinem Amt als Bischof von Chur enthoben, aber er dürfte – in diesen unruhigen Zeiten – Chur schon einige Jahre vorher in Richtung Habach verlassen haben. In seinem geliebten Habach versuchte er nun sein Lebenswerk – ein Stift – zu organisieren.

Wenigstens vier Gründe könnten Graf Norbert zur Gründung des Stifts veranlasst haben:

  • Um 1070 bis 1120 gab es eine Vielzahl von Stiftsgründungen (z.B. 1077 Kloster Bayerisch Zell, 1085 Rottenbuch);
  • Seine tiefe Religiosität;
  • Die möglichst sichere Bewahrung seines weit verstreuten Besitzes.
  • Und schließlich auch eine ganz praktische Überlegung: die Steuerfreiheit einer Stiftung, ein damals wie heute wichtiger Grund.

Er übergab also das Dorf Habach mit drei gepflegten Höfen. Der Meierhof diente zur Versorgung der Chorherren. Des weiteren hatte Graf Norbert viele Güter in der Umgebung u.a. in Epfenhausen, Magnetsried, die ganze Kirche in Sulzemoos bei Dachau mit Zehentrechten.

Er übergab auch einen Weinberg in Südtirol an das Stift Habach. Der Weintransport führte bis 1470 von Bozen über den Reschenpass, danach über den Brenner. Habach hatte lange Zeit einen Hof in Farchant, der für Rottdienste des Weintransportes verantwortlich war.

Aber es gehörten ihm nicht nur die Höfe, sondern auch die dazugehörigen Leute, also Bauersleute mit Knechten und Mägden. Damals bestand noch die Leibeigenschaft, so steht auch in der Gründungsurkunde: er übergibt die Höfe mit Gesinde beiderlei Geschlechts.

Mit seinem Besitz schuf Norbert die wirtschaftliche Grundlage zur Gründung eines Stiftes. Die jeweilige Anzahl der Stiftsherren war durch den Umfang und die Erträgnisse der Stiftung bedingt. In Habach waren es außer dem Propst, der ja nicht am Ort wohnte, sechs Stiftsherren, worunter sich auch der gewählte Dekan befand.

Die Gründungsurkunde für das Stift wurde von Graf Norbert um 1083 erstellt. Norberts Wunsch und Vorbehalt war, dass die Pröpste und die Stiftsvögte aus seiner Familie stammen sollten. Dies wurde laut den überlieferten Namen auch befolgt, solange Nachkommen vorhanden waren. Nach dem Aussterben der Familie wurden dann die Pröpste vom Bischof von Augsburg bestimmt.

Der erste Schirmvogt war Graf Sigimar II von der Huosiburg, ein naher Verwandter von Graf Norbert.

Am Ende der Gründungsurkunde hatte Norbert noch einen Passus verankert: Sollte einmal die Existenz des Stifts gefährdet sein, galt der äußerste Notfall. Nach Wunsch Norberts sollte dann der Deutsche Kaiser eingreifen und das Stift schützen. Das Stift sollte ewig bestehen.

Am 25. Februar 1085 stellte er am Marienaltar in Augsburg das Stift unter den Schutz des Bischofs von Augsburg. Die Zeugen waren Adlige aus unserer Gegend. Die Zeugen wurden nach dem damaligen Rechtsbrauch an den Ohren gezogen („bei den Ohrwascheln genommen“) zur bleibenden Erinnerung an das Gehörte und Gesagte.

Am 26.Jan. 1087 starb Graf Norbert und wurde in seiner Ulrichskirche beigesetzt.

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5. Die Regeln der Chorherren

Nach welchen Regeln lebten die Chorherren? Benediktinisch oder augustinisch? Wahrscheinlich ist, dass sie zusammenlebten und die tägliche Arbeit und die praktische Seelsorge am Ort wichtiger waren, als die Frage nach welcher Regel sie lebten. Das Stift Habach hatte keine eindeutige Regelzuordnung, aber sehr wahrscheinlich eine starke Tendenz zur augustinischen Regel.

Von der Gründung bis um 1350 dürften die sechs Kanoniker gemeinsam ein Haus bewohnten haben. Es gibt hierfür jedoch keine direkten Belege. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde dann die größte baupolitische Entscheidung in der Geschichte von Habach gefällt: Die Chorherren entschieden sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr in einem gemeinsamen Haus zu wohnen oder es reichten die finanziellen Mittel nicht mehr aus, ein mächtigeres Gebäude zu erstellen

Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, hätte Habach einen ähnlichen Dorfcharakter wie z.B. Bernried, Dietramszell oder Schlehdorf erhalten – ein großes stattliches Gebäude mit einem großen Meierhof mit vielleicht ca. 800 Tagwerk Wiesen und Äcker.

In Habach bezog nach dieser Entscheidung jeder Chorherr sein eigenes Haus mit Gesinde und dazugehöriger Landwirtschaft. Die Äcker und Wiesen des Maierhofes, der bis dahin für die Versorgung der Chorherren verantwortlich war, wurden auf die sechs Chorherrenhäuser aufgeteilt.

Das Stift hatte folgende Pfarreien seelsorgerisch zu versorgen: Riegsee 1½ Stunden entfernt mit der Filialkirche Froschenhausen, Hechendorf 2½ Stunden entfernt, Hofheim, die Kirche St. Georg in Sindelsorf, Dürnhausen mit Frauenrain. Auch die Pfarrei Hagen bei Murnau wurde bis 1390 von Habach aus betreut. Ein Kanoniker betreute eine Pfarrei, die er täglich nach dem Chorgebet am Morgen besuchte. Dem jüngsten Chorherren stand Hechendorf zu, da es am weitesten entfernt lag. Im Volksmund wurden die Chorherren „die Herren von Habach“ genannt.

Die Ordnung oder die Satzung für die Chorherren war in 24 Statuten festgelegt. Ein weltlicher Chorherr wie er im Gegensatz zum „regulierten“ im Verband eines Klosters genannt wurde, war ein weltlicher Priester, er legte keine Gelübde wie ein Mönch ab.

Man konnte sich um eine freie Chorherrenstelle bewerben. Voraussetzungen waren: Der Bewerber musste sangeskundig sein, also eine musische Vorbildung besitzen und ein guter Prediger sein. Von den vielen Aufnahmegesuchen und Bewerbungen sind einige noch erhalten. So z.B. eine vom November 1523, eine Empfehlung des herzoglichen Komponisten Senftl für für einen Vikar aus Partenkirchen, der bei ihm eine musikalische Ausbildung absolviert hatte.

Die musische Ausbildung der Chorherren kam den Habachern, besonders den Kindern zu Gute. Gesang, Musik und Theater wurden in Habach sehr gepflegt, und es wird in Urkunden immer wieder von Theateraufführungen berichtet. So steht z.B. in einer Weilheimer Chronik von 1577 „etliche Habacher haben die Komödie, ‚die Alten zechen‘“ vor dem ehrwürdigen Rat in Weilheim aufgeführt.

Ein Beispiel für die hervorragende musikalische Ausbildung war der Chorherr Ignaz Hörmann, der als Musiklehrer so manches Mädchen vom Dorf in ein Frauenkloster brachte und so es vom harten Dienstboten-Dasein bewahrte.

Die Kanoniker setzten sich nicht nur für die musikalische, sondern auch für die schulische Ausbildung ihrer Untergebenen ein. In Urkunden von 1246 und 1261 wird bereits ein Scholastikus genannt. Die Habacher Kinder hatten so – im Gegensatz zu den Kindern in unseren Nachbarorten – die Möglichkeit, eine schulische Ausbildung zu erhalten. Dies war lange bevor 1802 die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde. Die Habacher Lehrer müssen gute Lehrer gewesen sein, da sich des öfteren Habacher an höheren Schulen bewarben und auch aufgenommen wurden.

Hans Denck war z.B. Rektor der bekannten Sebaldus-Schule in Nürnberg 1525. Und Gailer schreibt 1756: „aus dem Land der einfachen Leute hätten die Herren von Habach so manches Bauernkind zu hohen Würden empor geführt“.

Einem Chorherren war auch Privatbesitz erlaubt, ein deutlicher Unterschied zu einem Mönch. Der Privatbesitz erlaubte einerseits ein angenehmes weltliches Leben. Andererseits kam dieser Privatbesitz auch oft den Menschen der Pfarrei und der Kirche zu Gute. Nur ein Beispiel von vielen: eine Urkunde von 1629 erwähnt, dass im Haus „zum Mandla“, das einem Chorherren Sedlmeier gehörte, die auf der Durchreise erkrankten Bettler und Vagabunden untergebracht wurden. Das Haus befand sich da, wo heute das Feuerwehrhaus steht und wurde 1651 abgerissen.

Sehr viele Chorherren stifteten mit ihren privaten Geldern Kunstgegenstände. Dies war ein wesentlicher Beitrag zur Schaffung von Kleinoden des Barock und Rokoko in unserer näheren Umgebung, besonders für die zum Stift gehörenden Pfarreien.

Des weiteren hatte jeder Chorherr im Kapitel eine im zugewiesene Aufgabe zu erledigen: z.B. gab es Zuständigkeit für Finanzen oder den Forst.

Ein weiterer Punkt der 24 Statuten verlangte die ständige Anwesenheit, dieser Passus ist rot unterstrichen mit dem Hinweis auf den ohnehin schon kleinen Chor. Keiner durfte ohne Erlaubnis verreisen. Das Strafmaß wurde auch gleich aufgeführt: pro Versäumnistag einen Gulden. Bei einem geschätzten Jahreseinkommen von ca. 2000 Gulden war das vermutlich zu verschmerzen.

Auch die Kleiderordnung war in den Statuten geregelt: Wer nicht mit einem bis zum Knöchel oder mindestens bis zum halben Schienbein reichenden geistlichen Gewand in der Öffentlichkeit erschien, musste zur Strafe einen halben Scheffel Weizen abgeben.

Der letzte Punkt der Statuten besagte: Damit sich aber keiner wegen Unkenntnis der Statuten entschuldigen und sich deshalb verteidigen könne, sollten sie mindestens einmal jährlich zur ständigen Erinnerung vom Dekan vorgelesen werden.

Fixe Termine im Leben eines Chorherren war die gemeinsamen Gebete und Chorgesänge um 5 Uhr früh. Anschließend besuchten sie die ihnen zugeteilte Pfarrei.

Die Statuten wurden 1452 und 1608 erneuert und den jeweiligen Verhältnissen angepasst.

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6. Der Aufschwung nach der Gründung des Stifts

Das 11. und 12. Jahrhundert war eine allgemeine Zeit des Erwachens und des Aufschwunges in ganz Europa. Eine wichtige Auswirkung davon war ein starker Anstieg der Bevölkerung, der bis etwa 1300 anhielt. Habach dürfte um 1050 – vor der Gründung des Stiftes – ca. 60 Einwohner gehabt haben und hatte um 1300 etwa 250 Einwohner.

Nach der Gründung des Chorherrenstiftes erlebte Habach einen wirtschaftlichen Aufschwung: Wälder wurden gerodet, Filze trockengelegt, Weiher angelegt, Straßen verbessert. Eine bessere Arbeitsteilung wurde entwickelt, nicht mehr alles wurde im Haus produziert. So entstand das Schuster- und Schneiderhandwerk auf dem Land. Handwerker konnten sich im Schutz des Stifts ansiedeln. Das Stift gab ihnen Aufträge. Neue Häuser wurden gebaut.

Auch in der Landwirtschaft gab es Fortschritte und es konnten mehr Menschen ernährt werden. Der Bauer beackerte sein Feld mit dem Wendepflug mit eiserner Pflugschar. Nach dem Säen brachte er das Saatgut mit der Egge in den Boden. Statt dem Zugriemen verwendete er das Kummet, das die Last beim Ziehen besser verteilte. Der Ochse wurde immer öfters durch das Pferd ersetzt, damit konnte man täglich 2 Stunden länger arbeiten. Die Hufe wurden durch Hufeisen geschützt. So konnte die 3-bis 4-fache Zugkraft erzielt werden.

Um 1100 hatte Habach seine Stellung im Pfaffenwinkel inne. Aus dem Weiler Hegibach war eine wirtschaftlich gesunde und lebendige Ortschaft geworden, mit einem Stift, das überall Achtung genoss.

Im Jahre 1249 übergab der Edelfreie Heinrich von Weilheim, die bis dahin selbständige Pfarrei Dürnhausen dem Stift Habach. Die seelsorgerische Betreuung übernahm nun ein Chorherr vom Stift Habach.

Das Stift hatte außerdem folgende Pfarreien seelsorgerisch zu versorgen: Riegsee mit Filialkirche Froschenhausen, Hechendorf, Hofheim, die Kirche St.Georg in Sindelsdorf, sowie die Pfarrei Hagen bei Murnau (bis 1390).

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7. Das Verhältnis von Stift und Dorf

Das Chorherrenstift dominierte das Dorf und dessen Bewohner völlig, in politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher und sozialer Hinsicht:

  • Der Propst und der Dekan mit seinen Chorherren hatten neben der kirchlichen Führung auch die politische Führung inne. Wahlen gab es selbstverständlich nicht.
  • Fast das gesamte Dorf gehörte dem Stift bis auf die Fahrnisse, das heißt die beweglichen Sachen – dazu zählte neben den Fuhrwerken das Vieh – diese gehörten dem „Freistifter“ (Pächter). Das Pachtverhältnis wurde formal jährlich erneuert, aber wenn sich der Bauer nichts zu Schulden kommen lassen hatte, konnte er sicher sein, sein ganzes Leben auf dem Hof zu verbringen. Habach hatte keine freien Bauern.
    Das Stift war für viele Habacher Arbeitgeber, so für den Stiftsfischer, den Stiftsjäger, mehrere sonstige Stiftsangestellte und natürlich für die Handwerker.
  • Der Dekan hatte auch die „niedere Gerichtsbarkeit“ über die Habacher.
  • In sozialer Hinsicht stellte das Stift soziale Sicherung im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Verfügung, allerdings ohne einklagbaren Rechtsanspruch.
    Das Stift oder einzelne Chorherren halfen bei persönlichen Unglücksfällen wie Krankheit oder Unfall. Vor 250 Jahren gab es in Habach sogar schon ein Krankenhaus. „Ein Krankenhaus, ebenfalls recht ansehnlich und ziemlich großzügig in seinen Ausmaßen erbaut“, so die Beschreibung von Gailler von 1756. Es muss in der Nähe des Augustinerhauses gestanden haben, aber der genaue Standort kann nicht mehr festgestellt werden.
    Die Chorherren entschieden im wesentlichen auch über die Chancen, die ein Untergebener hatte: Schulbesuch in der Stiftsschule oder ob er gar auf weiterführende Schulen gehen durfte, welchen Beruf er erlernen durfte etc.

Trotz aller Erschwernisse und Einschränkungen traf für Habach aber doch der Satz zu: „Unter dem Krummstab ist gut leben.“ Sie hatten es jedenfalls besser als unter der Hoheit eines Adligen.

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8. Die Krise im 14. Jahrhundert

Um 1300 ging eine über 200 Jahre dauernde Aufschwungphase in Europa zu Ende. Darüber hinaus verschlechterte sich das Wetter zusehends, immer wieder gab es Hungersnöte auf Grund von schlechtem, kaltem Wetter. Völlig aus dem Rahmen fielen die Sommer 1345 bis 1347. Es waren die Kältesten in diesem Jahrtausend. Diese extreme sommerliche Kälte in drei aufeinander folgenden Jahren war durch einen Vulkanausbruch in den Tropen verursacht worden.

Ein Drittel der Bevölkerung Mitteleuropas starb zudem an der Pest, die von 1347 bis 1350 wütete.

Das Entsetzen dieser Zeit fand sein Echo in der alten Litanei: „Herr, erlöse uns von der Pest, dem Hunger und dem Krieg.“

Die drei Geißeln gehörten zusammen: Kriegsverheerungen führten zu Lebensmittelmangel, die daraus folgenden Hungersnöte schwächten die Menschen und machten sie anfällig für Seuchen; ein ausweglos erscheinender Kreislauf des Schreckens.

Mit einer anschließenden allgemeinen Geldentwertung gingen auch die Erträge aus dem Grundbesitz zurück, dies führte dazu, dass sich die wirtschaftliche Situation der Ritter im Laufe des Spätmittelalters erheblich verschlechterte.

Sie reagierten mit Raubrittertum und übersteigerten Forderungen gegenüber ihren Schutzbefohlenen und Untergebenen. Vielen Klöstern und Stiften wie Tegernsee, Polling oder Benediktbeuern drohte der wirtschaftliche Ruin. So auch dem Stift Habach. „Desolata“, also verödet, werden in jener Zeit viele Orte in den Urkunden genannt. Viele Höfe wurden verlassen und nie wieder aufgebaut. In Habach waren dies wahrscheinlich die „Loinbauern“ südlich vom Eichbichl und das Lothdorf.

Nach dem Aussterben der Edlen von Weilheim gingen die Vogtrechte auf die von Seefeld über. Die Herren von Seefeld hatten die eben geschilderten Probleme. Wahrscheinlich versuchten sie mit brutalen Methoden, Gelder und Abgaben einzutreiben. Die Chorherren sahen wohl keinen anderen Ausweg mehr außer zu fliehen.

In der Mitte des 14. Jahrhunderts war kein Chorherr mehr in Habach. Habach war soviel wie verlassen. Die Eigentümer der Huosiburg von Dürnhausen konnten Ihre Burg nicht mehr unterhalten und verließen sie.

Nun war der äußerste Notfall eingetreten, den Graf Norbert in seiner Stiftsurkunde beschrieben hatte. Der Deutsche Kaiser Ludwig der Bayer musste zum Schutz eingreifen. Der Kaiser entzog den Seefeldern die Schutzrechte und nahm das Stift unter seinen unmittelbaren Schutz, indem er die Vogtrechte am 30. April 1332 seinem Ritterstift Ettal übertrug.

Ab ca. 1360 war die Krise überwunden und es ging wieder aufwärts. Nach und nach wurden vom Stift Güter hinzu gekauft.

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9. Die offene Hofmark

Am 23. April 1330 verlieh Ludwig der Bayer an 17 oberbayerische Klöster und Stifte die „Niedere Gerichtsbarkeit“. Diese wurde auch Hofmarksrecht genannt. „Offene Hofmark“ heißt, die niedere Gerichtsbarkeit nicht nur über Habacher auszuüben, sondern auch über Untertanen, die auf Höfen in anderen Orten saßen, aber zum Stift Habach gehörten z.B. Riegsee, Hechendorf, Hofheim und ca. ein Drittel von Sindelsdorf.

  • Die „Niedere Gerichtsbarkeit“ umfasste:
  • Veranlagung der Steuern
  • Musterung der Männer
  • Scharwerksdienste unentgeltlich zu beanspruchen
  • Vormundschaft und Nachlass
  • Notartätigkeit
  • Polizeiliche- und Ordnungsfunktion, z.B. die Verfolgung von Gesetzesüberschreitungen.

Das Richterhaus stand im Garten beim heutigen „beim Baur“ und wurde 1810 abgebrochen. Die Steine wurden zum Hausbau in Hachtsee verwendet.

Das Stift hatte auch einen Gerichtsdiener.

Der Lindenbaum, der da stand, wo heute das Leichenhaus steht, war im Mittelalter der Prangerplatz. Dort wurden die Gerichtsurteile verkündet.

Am 1. Dez. 1331 bestätigte Kaiser Ludwig der Bayer die Stiftsurkunde von Habach.

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10. Das Stift um 1500

Von 1446 bis 1802 waren die Dekane des Stifts Pfarrer von Habach, anstelle der Pröpste. Die Pröpste lebten von da an in Augsburg, ab 1560 in München.

1560 hatte Herzog Albrecht V. das Recht bekommen, die Pröpste von Habach zu ernennen, seitdem stand Habach stark unter Münchner Einfluss. Der Propst war der erste Würdenträger und Vorgesetzte in einem Stift. Mit seinen Entscheidungen nahm er großen Einfluss auf das Stift und das dörfliche Leben.

1492 bestätigte Papst Innozenz VIII. die Einverleibung der Pfarreien Dürnhausen, Frauenrain, Hofheim, Hechendorf, Riegsee und eines Teils von Sindelsdorf St. Georg in das Stift Habach. Noch im selben Jahr war das Stift jedoch in Gefahr, zu Gunsten des neu errichteten Kollegstifts zu unseren Lieben Frau in München aufgelöst zu werden. Kurz vor Schluss wurde dann an Stelle von Habach das Stift Schliersee aufgelöst. Die Versuche der bayerischen Herzöge, das Stift Habach aufzulösen, scheiterten an der fehlenden Seelsorge für die umliegenden Pfarreien.

So ab 1450 bis ungefähr 1580 herrschte in ganz Bayern eine gute Zeit. Die guten Verhältnisse verführten zum Müßiggang. Der Herzog musste z.B. eine Verordnung erlassen, dass Hochzeiten nur 3 Tage gefeiert werden dürften und nicht eine ganze Woche.

Beim Bader am Samstagnachmittag – dem allgemeinen Waschtag – ging es auch ganz lustig und locker zu zwischen Männchen und Weibchen.

Auch in den Stiften und Klöstern gab es Disziplinlosigkeiten und Auswüchse. Erschwerend kam hinzu, dass im selbem Zeitraum eine mangelnde oder schlechte Priesterausbildung zu beklagen war. Vor diesem Hintergrund müssen die nachfolgenden Visitationsprotokolle verstanden werden.

1452 erschienen die Chorherren mit Jagdstiefeln, Hörnern und Falken im Chor. 1458 rügt Herzog Albrecht in einem Brief: „Sie leben pübisch und sträflich“. Anscheinend wurden die Chorherren des öfteren vor den geistlichen Rat (Propst) zitiert, z.B. wegen Völlerei oder Nicht-Einhalten der Fastenzeit.

Diese Missstände wurden erkannt. Ab 1560 setzten ein starker reformerischer Eifer und Eingriffe der bayerischen Herzöge zur Verbesserung der Klerikerausbildung ein. Priesterseminare wurde gegründet. Das Stift genoss wieder Achtung in den Augen der Bürger.

Andere Veränderungen, die um 1500 eingesetzt haben: So um 1450 wurden Familiennamen eingeführt. Vorher wurde nur dem Vornamen eine typische Bezeichnung hinzugefügt – wie ‚Konrad, der Schmid‘, ‚Franz, der Lange‘ oder ‚Sepp, der Schwab‘. In der ersten Steuerliste für Habach 1520 stand dann schon Konrad Schmid.

Zur Kleidung: bis 1500 trugen Männer grobgewelkte lange Strümpfe, keine Hosen nur Mäntel, danach verband man diese Strümpfe durch einen Zwickel und schuf so das Kleidungsstück, das wir heute Hose nennen. Es gab noch keine Tracht, diese entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert.

Habach hatte 2 Bader – einen nur für die Chorherren und einen für die übrigen Habacher.

Im neuen Saalbuch von 1629 (entspricht heute dem Grundbuch) sind 59 Orte aufgeführt, in denen Habach Besitzungen hatte.

Noch ein Nachsatz zum Wetter oder wie das Wetter den Wechsel des bayerischen Hauptnahrungsmittels beeinflusste: Zwischen 1585 und 1600 brach auf Grund des sehr kalten und regenreichen Wetters der Weinbau in unserer Gegend zusammen. Die Tropfen waren sauer und zudem unerschwinglich teuer. Darüber hinaus bekam der Herzog vom Wein keine Steuereinnahmen, aber sehr wohl vom Bier. Brauereien wurden gefördert, eine Brauereigründungswelle setzte ein. Kein Wunder, dass der saure Wein als alkoholisches Hauptgetränk vom Bier verdrängt wurde. Ein sehr beliebtes Bier – damals wie heute – war das Weißbier. Seitdem trinkt man bei uns Bier und nicht mehr den sauren bayerischen Wein.

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11. Die Leiden des 30-jährigen Krieges

Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Musterungen verschärft. Soldatenwerber gingen von Ortschaft zu Ortschaft und suchten Freiwillige für die Kriegstruppen. So erlebten unsere Habacher Vorfahren den Beginn des 30-jährigen Krieges.

Der 30-jährige Krieg von 1618 – 1648 brachte unermessliches Leid über ganz Mitteleuropa. Diesem Krieg fielen in Deutschland fast vierzig Prozent der Bevölkerung zum Opfer.

Der lange Krieg hatte durch Verwüstung, Brandschatzung, Pest, Hunger, Mord und Totschlag Lücken in die Dorfgemeinschaft geschlagen. Ganze Familien waren ausgestorben, Häuser verwaist oder heruntergekommen, Höfe verbrannt und nicht wieder aufgebaut, der Viehbestand dezimiert und die Felder verwahrlost.

Durch die vielen Soldateneinquartierungen und die Tatsache, dass die jungen Männer oft jahrelang bei den meist sehr groben Kriegstruppen blieben mussten, kam es zu einem ungeheuren Sittenverfall, einer Verrohung der Menschen.

Insgesamt dauerte es viele Jahre, bis die schlimmsten Spuren des Krieges beseitigt und seine Narben geheilt waren.

Dies kann durch Gerichtsprotokolle und Steuerlisten anschaulich belegt werden. Die üblichen Wirtshausraufereien wurden nach dem 30-jährigen Krieg wesentlich härter geführt. So wurde bei einer Rauferei mit Sindelsdorfern einem gleich das ganze Ohr abgebissen oder einem anderen der Finger aus der Hand gerissen.

Wie verlief der Krieg bei uns? Im Mai 1632 hielten Habacher und Aidlinger auf der Aidlingerhöhe Wache. Als die herannahenden Schweden erspäht wurden, schlugen sie überall Alarm und richteten sich für die Verteidigung ein. Durch den unerschrockenen Zusammenhalt der Männer in unseren Dörfern, konnten diese geschützt und der Feind vertrieben werden. Während der Kämpfe hatten sich die Frauen und Kinder mit ihren wichtigsten Habseligkeiten und dem Vieh 10 Tage lang im Achgraben versteckt.

Die Scharmützel mit den Schweden zogen sich ungefähr ein Jahr, bis Frühjahr 1633 hin. Auf dem Fußweg nach Aidling ist noch ein steinernes Kreuz erhalten, das an einen schwedischen Offizier und acht schwedische Soldaten erinnert, die dort bei Kämpfen gefallen sind. Nach den Schweden kamen im Führjahr 1633 die Kroaten, sie waren nach überlieferten Berichten oft sehr grausam gegenüber der Bevölkerung. Sie verwüsteten die Häuser und Felder. Außerdem plünderten sie auch die Jaudenmühle und Thomamühle und steckten sie anschließend in Brand.

Wie wirkten sich die Pestjahre 1634-35 und 1646-48 in Habach aus? Ob bei uns auch gekreuzte Strohbüschel am Ortseingang und eine gelbe Fahne am Kirchturm aufgezogen werden mussten – als Zeichen für Fremde und Durchreisende, dass in diesem Dorf die Pest wütete – entzieht sich unserer Kenntnis, da die Zeugnisse aus dieser Zeit, die Pfarrmatrikelbücher, die Votivtafeln in der Kirche und die Aufzeichnungen der Chorherren nicht mehr vorhanden sind. Aber mit Sicherheit hatten wir nicht die Leiden wie unser Nachbarort Aidling: dort starben in den Pestjahren 1634/35 ungefähr 120 Leute (das waren zwei Drittel der Einwohner) an der Pest.

Überliefert sind immer wieder die Wallfahrten der Habacher Gemein zur Heiligen Agatha nach Uffing, der in der ganzen Umgebung hochverehrten Patronin gegen Pest und Feuersgefahr und sie opferten dort immer wieder eine Kuh zum Dank, dass ihnen nicht ein ähnliches Schicksal wie den Antdorfern widerfahren ist, denen die Schweden sogar ihre Kirche angezündet hatten. Im November 1648 läuteten dann überall in unsere Gegend die Kirchenglocken, als endlich der lang ersehnte Frieden – der Frieden von Münster und Osnabrück – besiegelt wurde.

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12. Der Bau der Ulrichskirche

Nach dem 30-jährigen Krieg waren die beiden Kirchen – die Georgs- und die Ulrichskirche – baufällig geworden. Die Hauptinitiatoren für den Bau eines neuen großen Gotteshauses waren Propst Johann Keller und Dekan Johannes Roth, ein sehr tüchtiger, zupackender Mann. Gemeinsam gingen sie diese Aufgabe an.

Bei der Finanzierung waren die damaligen Chorherren sehr einfallsreich und mutig. Da nach dem 30-jährigen Krieg die Pröpste öfters wechselten, wollten sie 1662 den Propstsitz nicht mehr neu besetzen, um mit den eingesparten Bezügen des Propstes den Kirchenbau zu finanzieren, ein für die damalige Zeit – die Zeit des Absolutismus – gerade zu revolutionärer Vorschlag. Diese Idee stieß jedoch bei den Hauptgeldgebern in München und Augsburg auf Ablehnung, und so konnten die Kanoniker nicht umhin, die Propststelle mit Johann Hörwarth wieder neu zu besetzen.

Im Mai 1663 wurde der Bau der neuen Ulrichskirche begonnen, nachdem mit allen Behörden, dem Geistlichen Rat, der Hofkammer in München und dem Pflegegericht in Weilheim in der Finanzierung Einverständnis erzielt worden war.

Baumeister war ein bis heute unbekannter Meister aus Schliersee, der der Miesbacher Schule angehörte. Er erscheint in vielen Briefwechseln, aber – es ist kaum zu glauben – er wird nie namentlich genannt. Vermutlich kam auch der Stukkateur Zwerger aus dieser Gegend. Der öfters als Baumeister genannte Kaspar Feuchtmayr aus Wessobrunn, war es nach allem was wir wissen mit Sicherheit nicht. Als architektonisches Vorbild für die Ulrichskirche diente die Münchner Michaelskirche. Der Turm war beim Neubau damals sehr wahrscheinlich ein – „stattlicher Zwiebelturm“.

Zur Finanzierung des Kirchenbaues musste der Hof in Farchant verkauft werden und wahrscheinlich auch der Weinberg in Südtirol. Kurz vor der Fertigstellung verweigerte der Augsburger Bischof wieder die zugesagte Zahlung mit der Begründung, dass der Bau vielleicht nicht solide sei und eventuell einstürzen könne. Nach einigen Briefwechseln zahlte Augsburg dann doch. Am Finanzgebahren übergeordneter Stellen hat sich in den letzten 300 Jahren nicht viel geändert. Die Chorherren hatten damals die gleichen Probleme wie ein Gemeinderat heute.

Der Propst Dr. Johann Keller, ein Habacher aus der Keilerfamilie, war Stifter des Hochaltars, im Schlussbogen oben ist sein Wappen, das „Kailerwappen“ verewigt. Die westliche Stube, das Nebenzimmer, im Gasthaus zum Floßmman heißt heute noch „Kailerstuben“, da das Haus westlich von Floßmann – heute Heiß – über Jahrhunderte bis 1806 die Kailer bewohnten.

Nach fünf Jahren Bauzeit konnte am 14. Oktober 1668 durch den Augsburger Weihbischof Kaspar Zeiler das imposante Bauwerk feierlich eingeweiht werden. Die Inneneinrichtung der Kirche zählt nach dem langjährigen Heimatpfleger Willi Mauthe zum Besten, was in dieser Zeit an sakraler Kunst im Weilheimer Raum und durch die Weilheimer Schule – der Hauptaltar stammt von Ambros Degler – geschaffen worden ist.

Die sechs Seitenaltäre wurden überwiegend durch Stiftungen erstellt.

Unweit vom Kirchbichl befand sich die Tafernwirtschaft, heute Gasthaus Floßmann. Habach hatte damals zwei Wirtschaften, die andere befand sich beim heutigen Wäspi, eine Weinstube und später ein Bierzäpfler – diese Wirtschaft hatte nicht die Berechtigung, Essen auszugeben. Zwischen Tafernwirtschaft und Kirche, befand sich das Tanzhaus, eher ein Theater- und Komödienstadl. Im Erdgeschoß gab es eine Unterstellmöglichkeit für die Pferde der Reisenden, die auf der Salzstraße zwischen Reichenhall und Murnau bis zum Bodensee unterwegs waren.

Beim heutigen Hausnamen „zum Zukker“ (bedeutet eigentlich „Zukehr“) verkaufte für lange Zeit der „Hofbichlkramer“ seine Sachen. Dieser ganze Dorfteil war das kulturelle Zentrum des alten, stiftischen Habach. Zu jener Zeit – dem Barock – war Habach ein kulturelles Kleinzentrum im Pfaffenwinkel.

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13. Der schwärzeste Tag in der Habacher Geschichte

Die Fertigstellung der Innenausstattung der Kirche dauerte nach der Einweihung noch Jahre. So um 1700 dürfte die künstlerische Ausgestaltung der Ulrichskirche abgeschlossen gewesen sein. Kurze Zeit später, im Jahre 1702, brach der spanische Erbfolgekrieg aus und dauerte bis 1714. Bayerns Kurfürst Max Emmanuel stand gegen Österreich auf der Seite Frankreichs.

In diesen stürmischen Jahren zogen immer wieder die Tiroler in unsere Gegend. Am 28. August 1703 wurde Murnau angezündet und brannte fast vollständig ab. Im Frühjahr 1704 drangen die Tiroler von Garmisch ins ganze Werdenfelser Land vor und plünderten und brandschatzten mehrere Orte. Im Juli 1704 stießen die Tiroler über Murnau dann bis nach Habach vor. Die Habacher flohen mit ihren Habseligkeiten, Kindern und ihrem Vieh in den Achgraben und auf die Obermüllerwiese, die damals noch als Alm mit Senner betrieben wurde.

Dort warteten sie in Furcht und Entsetzen tagelang. Am 17. Juli setzten die Tiroler Habach in Brand. Habach ist damals größtenteils abgebrannt. Die meisten Häuser hatten große Brandschäden. Der Westteil der Kirche, die Sakristei und der Kirchturm waren völlig ausgebrannt. Dieser 17.Juli 1704 wird wohl als einer der schwärzesten Tage in die Geschichte von Habach eingehen.

Es dauerte noch Tage, bis die Habacher aus ihrem Versteck wieder in das größtenteils abgebrannte Dorf heimkehren konnten. Eine Person, Maria Schädl, war beim „Metzger“ (heute Haus Promberger, Antdorfer Str. 4) in der Aufregung der Flucht vergessen und zurückgelassen worden. Sie kam in den Flammen um.

Die Habacher, besonders unterstützt durch die Chorherrn, gingen sofort an den Wiederaufbau ihres Dorfes. Der Winter 1704/05 brachte für die Habacher enorme Härten, die Unterkunft wahrscheinlich in behelfsmäßigen Holzhütten, karge Kost und harte Strapazen bei der Holzarbeit für den Wiederaufbau. In der Zwischenzeit versuchte der Dekan in einem langen Briefwechsel mit der Hofkammer in München, 2000 Gulden für den Wiederaufbau vom Hof in München zu erhalten.

Einige Neubauten nach dem Brand sind belegbar: Dekan Promberger ließ sein Vaterhaus zum „Steinhackl“ wieder aufbauen. Kanoniker Höck unterstützte mit seinem Geld den Bau des Spängler Anwesens (heute Autohaus Kirnberger). Ebenso wurden die Söldnerhäuser Lenzschuster und Schalk durch die finanzielle Mithilfe der Chorherren wieder aufgebaut. 1707 wurde das Schulhaus (heute Annaberger) an der Hauptstraße wieder aufgebaut und am 18. Mai 1709 feierte man die Grundsteinlegung des Mesnerhauses.

Die Behebung der Brandschäden an der Kirche dauerte ungefähr 20 Jahre. Die Aufzeichnungen der Ausgaben geben einen interessanten Einblick in das Handwerkerleben der damaligen Zeit. So bekamen die Zimmerleute bei Arbeiten am Kirchendach eine Gefahrenzulage von ca. 50 % des Grundlohnes. Der Zwiebelturm konnte wahrscheinlich aus Geldmangel nicht wieder aufgebaut werden. Es wurde unser heutiger Turm erstellt.

Kaum waren die Narben der tirolerischen Brandschatzungen verheilt, stand neues Unheil vor den Gattern des Dorfes: Im österreichischen Erbfolgekrieg von 1741 – 1745 wurde Bayern von Österreichern, Kroaten, Slowaken und Panduren besetzt und mit Standlagern, Durchmärschen, Forderungen von Lebens- und Futtermitteln und mit Brandschatzungen drangsaliert.

In einer Aufzeichnung steht: „Schier lauter lange starke leith. Sye haben Flinten, rechte Säbel, Bundschuh, weisse und rotte Mäntel, haben geredet Ungarisch oder Crabatisch. Pro Mann verlangten sie eine Mahlzeit von 1 Pfund Fleisch, Suppe, 2 Mass Bier, um 2 Kreuzer Broth, Sollath, Krauth und Pfeffer.“

Die Grausamkeiten des Pandurenführers Major Trenk, der vor allem im Gebiet bis zur Isar hauste, werden in anderen Ortschroniken erwähnt.

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14. Die gute Zeit im 18. Jahrhundert

Nachdem die letzen Soldaten abgezogen waren, herrschte über 50 Jahre Ruhe, bis die nächsten kamen: die Franzosen. Es begann eine gute Zeit für Habach.

Der 30-jährige Krieg, sowie die beiden Erbfolgekriege des 18. Jahrhunderts, die so viel Not über das Land gebracht hatten, trugen das ihre dazu bei, dass das fromme Volk sich in immer größerer Zahl unter den Schutz seiner „lieben Heiligen“ stellte. Um 1750 war der Glaubenseifer des bayerischen Volks auf seinem Höhepunkt. Im Spätbarock fiel die Blütezeit des Glaubens mit einem Höhepunkt allseitigen künstlerischen Schaffens zusammen. Die Innenausstattung der Habacher Kirche bildet hierfür ein gutes Beispiel.

Die Heiligenverehrung bildete den Höhepunkt des religiösen Lebens: Farbenprächtige Bittgänge, mehrstimmige Musik zur Messe, viele geistliche Schauspiele, prunkvolle Karfreitagsprozessionen bildeten die Höhepunkte des Dorflebens. Für die Fronleichnamsprozession schmückte sich das ganze Dorf aufwändig, nichts war für den „Prangertag“ zu schade. So musss man sich das kirchliche Leben vor 250 Jahren vorstellen.

1755 baute man eine dem heiligen Nepomuk geweihte Kapelle an die westliche Friedhofsmauer. Überall wurden Feldkreuze aufgestellt. Immer wieder wurden Anträge gestellt, das kirchliche Leben noch abwechselungsreicher und noch effektvoller zu gestalten. So wurde z.B. am 28. 6. 1732 die Genehmigung zur Errichtung eines Kreuzweges erteilt.

Eine Bemerkung zur sprichwörtlichen Jagdleidenschaft der Chorherren: Bis 1560 waren die Chorherren die uneingeschränkten Herrscher der Wälder. Kaum hatte der Herzog in München die Oberhoheit über das Stift, wurde den Chorherren das Jagdrecht genommen und ihnen dafür 7 Hirsche jährlich zugesprochen, einige Zeit später wurde die Anzahl auf nur noch 2 Hirsche und 6 Rehe reduziert. Jagdfeste in Habach wurden groß und aufwändig gefeiert. Zur musikalischen Umrahmung wurden z.B. die Stadttürmer aus Weilheim geholt.

Übrigens hatte Habach im 17. Jahrhundert einen berühmten Jagdpächter, den Herzog aus München persönlich.

Die Habacher Handwerker wurden teils vom Stift beschäftigt; wenn die Aufträge vom Stift nicht ausreichten, mussten sie „auf die Stör“ gehen, also sich als Wanderarbeiter verdingen. Habach hatte fünf Weber, ihr Verkaufsschlager waren die „Habacher Ziachen“, also Bettücher, die einen guten Ruf im ganzen Pfaffenwinkel hatten. Mit Kraxen gingen sie von Ortschaft zu Ortschaft.

Der bekannteste Handwerker in unserer Ortgeschichte war der Dürnhauser Kunstschlosser Gregor Jaud. Seine Kunstwerke wurden in ganz Europa gekauft. Nach Wien, Belgrad, ja sogar bis nach Spanien transportierten die Handelskompanien seine begehrten Schmiedearbeiten.

Dass man in Habach auch eine gewisse Robustheit gegen das hier herrschende Wetter benötigt, wurde schon vor 300 Jahren festgestellt: „An diesen unter Bergen liegenden Dorf Habach ist ein sehr raucher Luft, also dass fast keiner alldahier tauglich, welcher nit in dieselbiger Gegend geboren und des Ortes gewohnt ist.“ Mit diesen Worten eröffnete der Propst Constante von Vestenburg die Amtseinführung des neuen Dekan Nikolaus Munzenrieder aus Murnau am 10.Dezember 1709.

1756 hatte das Dorf Habach 250 Einwohner, und 148 abgabenpflichtige Höfe in vielen Orten und Weilern in der Umgebung. Davon lagen 48 Höfe im heutigen Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Dürnhausen hatte 149 und Sindelsdorf 220 Einwohner.

Ein dörfliches Rathaus, Haus des Richters, eine Schule mit Bad, ein ansehnliches Krankenhaus, so beschreibt Franz Gailler 1756 Habach und weiter schreibt er: „Es gibt 49 Häuser und sechs Scheunen“ und er betont, dass Habach durch seine Chorherrenhäuser einen fast städtischen Charakter habe.

Um 1726 erscheint der Familienname Neuner (Schneider) zum erstenmal. Er ist älteste durchlaufende Familienname in Habach auf einem Haus, bis auf eine kurze Unterbrechung. Ernst Neuner jun. ist die 10 Generation.

Zusammenfassend könnte man für das 18. Jahrhundert sagen: Man war genügsam und anspruchslos und teilte den Sonntag und die vielen Feiertage getreulich zwischen Kirche und Wirtshaus.

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15. Die Säkularisation

Am Ende des 18.Jahrhundert vermehrten sich die Anzeichen, die gute, ruhige Zeit könnte bald zu Ende gehen. Das Donnergrollen der Französischen Revolution war unüberhörbar, der moderne Staat wurde zum Vorbild auch für deutsche Könige.

In Bayern hatte Graf Monteglas die Aufgabe, den Staat zu reformieren.

Auf die vielfältigen Ursachen, die zur Säkularisation geführt haben, soll hier nicht näher eingegangen werden. Wir beschränken uns auf die Auswirkungen der Säkularisation in Habach.

Am 6. August 1802 war der allerhöchste Befehl zur Auflösung des Chorherrenstifts Habach ergangen. Bereits eine Woche später begab sich der kurfürstliche Rechnungskommissiar Maximilian Zeiller nach Habach. Er eröffnete dem Dekan und den fünf Kanonikern die höchste Entscheidung, besorgte die Rechnungsabschlüsse und nahm die Kasse mit 100 Gulden und das Archiv in Beschlag.

Die bisherigen Diener des Stifts : Xaver Wagner, Schullehrer und Organist, sowie der Gerichtsdiener Kirchmayer wurden aus ihren bisherigen stiftischen Pflichten entlassen und in kurfürstliche Dienste übernommen. Der Kapiteldiener Josef Promberger (Kailer) wurde nach Polling geladen und dort aus seinem Arbeitsverhältnis entlassen.

Durch die Säkularisation ergaben sich gravierende Veränderungen. Die Jahrhunderte alte Ordnung in wirtschaftlicher, politischer, sozialer und rechtlicher Sicht war abgeschafft. Die neue Ordnung noch in vielen Punkten ungewiss. Das typische Kennzeichen einer Krise: Das Alte war zerstört und das Neue, der moderne Staat nach Monteglas, noch unsicher.

Die Auswirkungen der Säkularisation:

  • Wirtschaftlich: Die Habacher Handwerksbetriebe verloren ihren größten Auftraggeber, viele Leute ihren Arbeitgeber: der Stiftsfischer, der Stiftsjäger, einige wurden arbeitslos.
  • Politisch: Die Einheit von politischer und religiöser Führung hatte sich mit der Säkularisation auch erledigt. Schon 1805 wurde der erste Gemeindevorsteher vom Bezirksgericht Weilheim ernannt. Es war dies der erste „nicht Geistliche“ Bürgermeister von Habach seit 800 Jahren.
  • Rechtlich: Die Hofmark, die fast 500 Jahre bestanden hatte, wurde aufgelöst, die „Niedere Gerichtsbarkeit“ ging an das Bezirksgericht Weilheim über.
  • Sozial: Das Krankenhaus wurde aufgelöst, viele soziale Funktionen des Stifts, die bei Härtefallen eingegriffen hatten, waren plötzlich verschwunden. Die dörfliche Sozialstruktur musste neu geregelt werden. Armenfürsorge und Krankenunterstützungsverein wurden gegründet.

Der Staat wollte aus dem Stift möglichst viel Gewinn erzielen. Fast alles kam unter den Hammer. Das Überangebot an Immobilien, und Kunstgegenständen drückte die Preise. Die Versteigerung des gesamten Stiftseigentumd brachte 18.684 Gulden.

Kirchenaufzeichnungen mussten abgeliefert werden. Bücher und Bilder wurden nach Weilheim oder München gekarrt, dabei ging vieles verloren. Dekan Floßmann konnte die wertvolle Monstranz für Habach retten. Wie wertvoll die Monstranz ist, zeigt ein kurzer Vergleich. Das Schulhaus und das Mesmerhaus kosteten zusammen 855 Gulden, die Monstranz alleine 607 Gulden.

Der Habacher Wald mit rund 940 Tagwerk ging in Staatsbesitz über. Dafür musste der Staat sich für die Erhaltung der Ulrichskirche verpflichten. Zwischen 1804 und 1810 wurden die „Gmeingründe“ an die Habacher „Rechtler“, also Hausbesitzer, verteilt.

Der kurfürstliche Beamte Kommissar Zeiller machte sich über alle möglichen Punkte des damaligen Habach Aufzeichnungen. So auch über die Bauern und die Landwirtschaft. So z.B. „man bemerkt bei den hießigen Untertanen Kulturgeist und gute Grundsätze z.B. der hiesige Wirt hat schon vor 3 Jahren die Stallfütterung eingeführt und sich überzeugt, dass er dadurch sein Vieh vor der Seuche bewahren und mehr Dünger gewinnen könne“. Derselbe und der Bauer seien zu Austauschungen bereit, um dadurch einen Zusammenhang seiner Besitzungen zu erzielen und alle Kulturhindernisse beseitigen zu können.

Insgesamt betrachtet war die Säkularisation eine große Kulturvernichtung.

Allmählich bildete sich auf der Grundlage der neu geschaffenen Steuerdistrikte aus den Dörfern Habach und Dürnhausen die Gemeinde Habach. Das Chorherrenstift, das 719 Jahre den Ort geprägt hatte, verließ die Bühne der Geschichte. Die politische Gemeinde trat an seine Stelle.

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