Historische Orts­führung

Ein kurzer Überblick über die Geschichte Habachs

Dr. Josef Freisl, Ortschronist

A1. Einleitung

Willkommen bei der historischen Ortsführung zum Thema „So war es zu Zeiten des Chorherrenstifts“. Wir laden Sie ein, auf den Spuren unserer Vorfahren zu wandern, damit die Vergangenheit jung bleibt.

Bei diesem geschichtlichen Spaziergang sollen nicht nur alte Gebäude oder die längst vergessene stiftische Infrastruktur erwähnt werden, sondern es sollen auch Eindrücke und Erkenntnisse wiedergegeben werden, die etwas vom Leben und Wesen der Menschen früherer Generationen erahnen lassen. Für weiter führende Informationen empfiehlt es sich, „Die Geschichte des Chorherrenstiftes Habach“ durchzulesen.

A2. Die Chorherrenhäuser, ein fast städtischer Charakter

Das Kollegiatsstift Habach wurde 1083 gegründet und bestand bis zur Säkularisation 1802. Der Chorherr, ein weltlicher Priester, legte kein Gelübde wie ein Novize ab. Er musste dem Dekan und den anderen Kanonikern gegenüber einen Eid leisten. So war ihm auch Privatbesitz gestattet. Die Anzahl der Chorherren war durch den Umfang und die Erträgnisse der Stiftungen bedingt. In Habach waren es außer dem Propst, der in München wohnte sechs, worunter sich auch der gewählte Dekan befand. Jeder Chorherr bewirtschaftete mit seinem Gesinde einen Hof. Die Chorherrenhäuser waren die Häuser Hauptstr. 8,9,10,13,17 und 21

A3. Der Zehntstadl, Sammelstelle und Vorratskammer

Die Chorherren erhielten für Ihr Stift auch Einnahmen. Ein Ort der Einnahmen war der Zehntstadl. Dort wurden die Naturalabgaben (das Zehnt) der abgabenpflichtigen Bauern gelagert. Zugleich war der Zehntstadl auch Vorratsraum für schlechte Zeiten. Der wuchtige Holzbau mit ca. 10 m Breite und 12 m Länge stand dort, wo heute das Bushäuschen in der Dorfmitte steht.

A4. Die Stiftsschule, eine Chance für die Jugend

Man kann annehmen, dass die Chorherren schon sehr bald nach der Gründung des Stiftes 1083 eine Schule einrichteten und unterhielten, so dass die Kinder aus Habach lange bevor in Bayern 1771 die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde, bereits eine schulische Ausbildung erhielten. Die Schule war das heutige Annaberger Haus, Hauptstr. 6.

A5. Das Stiftsmesnerhaus und die Folgen der Brandschatzung von 1704

Das Stift war für viele Habacher auch Arbeitgeber. Besonders für einen Stiftsangestellten war es besonders wichtig, gleich neben der Kirche zu wohnen: den Mesner, den Hausmeister des Gotteshauses. Das Haus Hauptstr. 4 war in der Chorherrenzeit das Mesnerhaus. Das heutige Mesnerhaus (Hofbichlweg 2) wurde erst 1905 zum Mesnerhaus. Das Mesnerhaus wurde wie viele andere Häuser in Habach am 17. Juli 1704, dem schwärzesten Tag in der Habacher Geschichte, von den Tirolern in den Wirren des Spanischen Erbfolgekrieges völlig niedergebrannt. Durch eine alte Kirchenrechnung ist auch die Grundsteinlegung des Neubaues belegt: 14.Mai 1709.

A6. Der Pfarrgang, die elegante Verbindung

Vom heutigen Pfarrhof (Hauptstr. 8) zur Kirche haben die Chorherren über Jahrhunderte eine elegante und praktische Verbindung geschaffen: den so genannten Pfarrgang. Der Pfarrgang war eine überdachte Holzbrücke, die auch seitlich bis zu einer Höhe von einem Meter verschalt war. So trafen sich die Chorherren im Haus des Dekans und konnten geschützt vor Regen und Schnee in die Ulrichskirche gehen. Der Pfarrgang wurde 1832, von einem aus Benediktbeuern stammenden Zimmerer, dem ersten Sonner in Habach, zum letzten Mal renoviert. Am 18. Oktober 1897 wurde der Pfarrgang wegen Baufälligkeit abgerissen.

A7. Der Heubach und der Alltag der Habacher

Der Heubach, der westlich von Habach in der in Nähe von Leibersberg entspringt, floss ursprünglich hinter dem Haus „zum Lenzschuster“ (St. Ulrichsweg 2) vorbei. Ungefähr in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann der Heubach so verlegt, dass er vor dem Haus vorbei lief. Mit größter Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, dass in der Stiftszeit ein Waschplatz mit Steg besonders für die Frauen aus dem Dorf angelegt war. Häufig sorgte der Heubach in der Vergangenheit auch für Überschwemmungen. Der Lebenszusammenhang, der damals den Einzelnen einfasste und umgrenzte – das Stiftsdorf Habach – schuf ein vertrautes Milieu, in dem jeder jeden kannte und kontrollierte. Da die Obrigkeit am Ort residierte, gab es eine hohe Kontrolldichte. Das Chorherrenstift dominierte das Dorf und deren Bewohner umfassend, in politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher und sozialer Hinsicht.

A8. Der Schmied, das älteste Handwerk im Dorf

Der erste Handwerker, der im Dorf benötigt wurde, war der Schmied. Er war der „Universal-Handwerker“ für alle Metallarbeiten. Er war Waffen-, Huf- und Kesselschmied und Schlosser. Die Habacher Schmiede stand schon seit dem frühesten Mittelalter an der Stelle südlich des Heubaches (Gegenüber dem Haus Sankt-Ulrich-Str. 4). Der Schmied war z.B. verpflichtet, jedem Bauern seiner Gmain, die Pflugscharen umsonst zu dengeln und andere bestimmte Arbeiten gegen einen festgesetzten Preis zu verrichten. Die Bauern hatten ihm dafür ein bestimmtes Quantum Getreide zu liefern.

A9. Die Badstube und der Bader

Die Badstube befand sich beim heutigen „Weberhaus“ (Sankt-Ulrich-Str. 4). Die Badstube war kein Wohnhaus, sondern nur Badstube mit den dazugehörigen Nebenräumen. Das Wasser bezog die Badstube aus einer Quelle in der Nähe des heutigen Feuerwehrhauses. Gewöhnlich ging man am Samstagnachmittag zur Badstube. Der Bader bereitete seinen Gästen ein Halb- oder Lendenbad, ein Vollbad oder das beliebte Dünstbad, in dem sich der Kunde durch Schwitzen reinigte und erfrischte. Aber das Dampfbad war nicht nur ein Ort der Erholung, sondern man unterhielt und vergnügte sich dabei. Der Bader hatte aber auch noch andere Funktionen. Er war auch gleichzeitig Friseur, Arzt, Zahnarzt und Tierarzt des Dorfes. Gegen Anfang des 18. Jahrhunderts verschwand das samstägliche Bad in der Badstube aus der Gewohnheit der Bevölkerung.

A10. Alte Söldnerhäuser und ihre Geschichten

Im Laufe der Zeit sind in Habach einige Häuser aus dem Ortsbild verschwunden. Es würde den Rahmen der historischen Ortsführung sprengen, alle „verschwundenen Häuser“ aufzuführen. Als Beispiel sei nur ein Haus erwähnt: das Haus „zum Mandla“. Es stand ungefähr da, wo heute das Feuerwehrhaus (Sankt-Ulrich-Str.) steht. 1620 lebte in diesen Haus der Sauschneider von Habach, der Singer Thomas.

1629 bezeugt ein Vertrag, dass in diesem Haus die auf der Durchreise erkrankten Bettler und Vagabunden untergebracht wurden. Früher war das Heimatrecht ein wichtiges Recht. Hatte man kein Heimatrecht, galt man als ein Vagabund ohne festen Wohnsitz. Aus dieser häufig anzutreffenden Situation resultierte eine dörfliche Verpflichtung im mittelalterlichen Sozialsystem: Die vorläufige Unterbringung erkrankter Bettler und Landstreicher.

B1. Der Ulrichsbrunnen, die erfrischende Quelle

Der Ulrichsbrunnen südwestlich der Kirche gilt als einer der ältesten Ulrichsbrunnen im Bistum Augsburg. Bischof Ulrich von Augsburg hatte in Habach sehr wahrscheinlich ein kleines Eigenkloster. Das kleine Kloster – wahrscheinlich ein Haus in dem mehrere Priester wohnten – wurde schon bald nach seinem Tod aufgegeben.

Bis zu seinem Tod 973 besuchte er Habach einmal jährlich und erfrischte sich auch am Brunnen, der nach ihm benannt wurde.

B2. Wahrzeichen des Dorfes: die Georgs- und die Ulrichskirche

Wenden wir uns jetzt dem Hofbichl zu, dem Zentrum des alten stiftischen Habachs. Bis zur Säkularisation 1802 hatte der Hofbichl eine große Bedeutung für das Leben der Habacher. Der Name Hofbichl ist eine umgangssprachliche Abkürzung, eigentlich heißt er Kirchhofbichl. Hier standen die Wahrzeichen des alten Stiftsdorfes: die beiden Kirchen. Dort wo heute das Kriegerdenkmal steht, stand die erste Habacher Kirche: die Georgskirche. Sie wurde dem beliebten Bekehrungspatron der bayerischen Missionsperiode, dem Heiligen Georg geweiht. 

Die zweite Habacher Kirche, die Ulrichskirche, stand an der derselben Stelle, wo auch die heutige Habacher Kirche steht.

Beide Kirchen dürften so ausgesehen haben wie die Dürnhauser Martinskirche heute. 1663 wurden beide Kirchen abgebrochen, weil sie baufällig waren, und mit dem Bau der heutigen Ulrichskirche begonnen. 1668 wurde die neue Ulrichskirche eingeweiht.

B3. Der Hofbichlkramer und die Wallfahrer

Unter dem Hausnamen „zum Zucker“ (Hofbichlweg 3, bedeutet eigentlich „Zukehr“), war über Jahrhunderte der Hofbichlkramer untergebracht. Das Angebot eines Dorfkramers reichte von Bonbons über Stoffe bis hin zu „Eisern Nägeln“. Hier konnten auch die Kirchenbesucher Kleinigkeiten, wie Andachtsbilder und Kerzen, kaufen.

B4. Das denkmalgeschützte Mesnerhaus

Das denkmalgeschützte Mesnerhaus ( Hofbichlweg 2) hieß früher Moserhaus, erst ab 1905 wurde es als Mesnerhaus bezeichnet, weil ab dann der Mesner hier wohnte. Dieses Haus ist ein in allen Einzelheiten gelungenes Werdenfelser Bauernhaus, „das Mittertennhaus“, links der Wohnteil, rechts die Stallung. Zudem ist die Ostseite allein über die reine Zweckform hinaus durch eine besonders glückliche Fensterverteilung, durch den eben nur nach Osten möglichen großen Dachüberstand und das fein oben durchgebogene Giebelhandwerk zur wirklichen Schauseite des Hauses geworden. Das flache Dach war früher mit Schindeln bedeckt, die mit großen Steinen beschwert waren.

B5. Der Lindenbaum: Richt- und Versammlungsstätte

Da, wo heute das Leichenhaus westlich der Kirche steht, stand bis 1980 ein mächtiger alter Lindenbaum. Es könnte durchaus möglich sein, dass dieser Baum zur Einweihung der Ulrichskirche 1073 oder zur Gründung des Stiftes 1083 gepflanzt wurde. Diese Linde war nicht nur ein stolzer Baum, sondern er hatte auch eine Bedeutung im dörflichen Leben des frühen Habach, zum Beispiel als Richtstätte. Das Stift hatte als Hofmark die Niedergerichtsbarkeit inne. Hier unter dem Lindenbaum befand sich sehr wahrscheinlich die berüchtigte Schandsäule. Außerdem war unter dem Lindenbaum die Versammlungsstätte für die Habacher.

B6. Das Tanzhaus und die Freuden und Vergnügen der Habacher

Zur Tafernwirtschaft gehörte einst auch das Tanzhaus, das gegenüber dem Gasthaus Floßmann auf dem Kirchhofbichl stand. Im Erdgeschoß war eine Stallung untergebracht, dort konnten die auf der Salzstraße durchreisenden Fuhrleute ihre Pferde unterstellen. Im Obergeschoß gab es einen großen Saal, der für die dörflichen Feste genutzt wurde.

Tafernwirtschaft Habach

B7. Die Tafernwirtschaft, das weltliche Zentrum

Zu einem ordentlichen bayerischen Dorf, besonders zu einem Stiftsdorf, gehörte schon immer auch eine Wirtschaft. So kann man ziemlich sicher annehmen, dass in Habach die Wirtschaft genauso alt ist wie das Stift. Für das Stift war es wichtig, dass die Besucher und Wallfahrer verköstigt und logiert werden konnten und die Dorfbewohner darüber hinaus einen Platz für weltliche Zusammenkünfte wie Theater, Hochzeiten oder Beerdigungen hatten.

Hinzu kam, dass die vielen Durchreisenden und Fuhrwerksleute auf der Salzstraße eine Herberge benötigten. Habach war nämlich eine Relaisstation der Salzstraße von Reichenhall zum Bodensee.

Die Tafernwirtschaft, heute Hauptstr. 5 ( Floßmann), war über Jahrhunderte die Gastwirtschaft in Habach.

B8. Eine besondere Sozialeinrichtung: das Krankenhaus

Das Stift war nicht nur der Grundherr der meisten Habacher Anwesen, Hauptarbeitgeber und Gerichtsherr, es stellte sich auch seiner sozialen Verantwortung. Das Stift stellte soziale Sicherung im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Verfügung, allerdings ohne einklagbaren Rechtsanspruch. Es gab sogar ein Krankenhaus, das ungefähr in der Nähe des Augustinerhauses (Hauptstr. 9) stand.

B9. Ein Höhepunkt im Jahr: der Ulrichsmarkt

Der Habacher Kirchweihtag zum Fest des Heiligen Ulrich am 4. Juli war ein besonderer Tag: an diesem Tag war Markt in Habach.

Das Marktrecht war ein besonderes Privileg. Im Landgericht Weilheim gab es nur fünf Marktorte: Weilheim, Murnau, Polling, Sindelsdorf und Habach. 

Am Markttag war Habach für einen Tag Mittelpunkt des ganzen Pfaffenwinkels. Am Vormittag feierte man gemeinsam – aufwändig und würdevoll – den Gottesdienst.

Anschließend begann der weltliche und vergnügliche Teil. Der Markt brachte allerlei Volk ins Dorf: Gewerbehändler, Possenreißer, Tierbändiger, Taschenspieler und viele Schaulustige. Wenigstens für einen Tag entwickelte sich ein buntes Treiben, auf das man sich schon Wochen vorher freute und von dem man noch Monate später erzählte.