Die Geschichte des Ulrichsmarktes
Dr. Josef Freisl, Ortschronist
Wann der Ulrichsmarkt in Habach zum ersten Mal stattfand, lässt sich nicht mehr feststellen. 1560 war das Präsentationsrecht für den Propst vom Stift Habach vom Bischof von Augsburg auf Bayernherzog Albrecht V. übergegangen. Jetzt hatte er beträchtlichen Einfluss auf das Stift durch die Ernennung eines Propstes für das Chorherrenstift Habach, der zugleich auch Dekan der Frauenkirche in München war und dort residierte, als auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten, indem er vermutlich Habach das Marktrechtprivileg verlieh um das Chorherrenstift wirtschaftlich zu fördern. Gleichzeitig entzog er den Habacher Chorherren das lang ausgeübte Jagdrecht und gestattete nur noch den Abschuss von jährlich sieben Hirschen. Seitdem finden sich in den Archiven Aufzeichnungen zum Habacher Ulrichsmarkt. Damals gab es im Landgericht Weilheim fünf Marktorte: Weilheim, Murnau, Polling, Sindelsdorf und Habach. Das Marktrecht wurde hier in Habach anlässlich des kirchlichen Hochfests des heiligen Ulrich, dem Ulrichstag am 4. Juli, verliehen
Über viele Jahrhunderte hinweg war der Ulrichstag ein bedeutender Höhepunkt im dörflichen Leben von Habach. Die Einwohner freuten sich bereits Wochen im Voraus auf dieses Fest und noch Monate später wurde davon erzählt. Der Ulrichstag wurde mit großem Aufwand gefeiert. An diesem Tag war Habach Mittelpunkt des ganzen Pfaffenwinkels. Vormittags fand eine große Festmesse in der St.Ulrichskirche statt mit Gästen aus den umliegenden Klöstern, der Stadt Weilheim und der Residenzstadt München. Anschließend dürften die vielen Besucher aus nah und fern jedes Jahr den Jahrmarkt besucht haben.
Ein mittelalterlicher Markt bestand aus Musik, Magie, vielfältigen Waren und einem bunten Gemisch aus Besuchern. Krämer und Handwerker boten ihre Waren feil – Felle, Lederwaren, Schmuck, Hieb- und Stichwaffen und vieles mehr. Arzneiverkäufer, Wunderdoktoren und Quacksalber verkauften alle möglichen Salben, Kräuter oder Tinkturen für die Gesundheit. Tierbändiger mit dressierten Bären, Gaukler, Zauberer und mittelalterliche Spielleute boten abwechslungsreiche, spannende Unterhaltung. Selbstverständlich boten die Habacher Weber ihre „Ziachen“, ihre selbstgefertigten Betttücher an, die im Pfaffenwinkel einen guten Ruf besaßen. Auch der Tafernwirt dürfte sich über das einträgliche Geschäft gefreut haben, das der Ulrichstag mit sich brachte. Doch nicht nur aus finanziellen Gründen war das Fest wichtig: Es bot den Einwohnern Gelegenheit, sich zu treffen, verwandtschaftliche, private und wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.
Den ersten Vermerk über den Ulrichsmarkt finden wir 1564: Der Stadtrat von Weilheim habe am Habacher Ulrichsmarkt „unser gnädigen Frau“ (wohl der Herzogin) ein Trinkgeschirr verehrt, was auch einen Besuch vom Münchner Hof belegen würde.
Vom Jahre 1653 ist ein „Stritthandel“ bekannt, der uns den Besuch des Ulrichsmarktes von der damaligen Prominenz aus Weilheim bezeugt. Die Frau des Bürgermeisters von Weilheim wurde auf dem Ulrichsmarkt von einem Weilheimer Bürger nicht gebührend gegrüßt, weil sie nach seinen Worten, außer der Stadt nicht anders als ein ganz gemeiner Mensch sei. Für diese „Fehleinschätzung“ musste er dafür nun allerdings 2000 Steine als Strafe zahlen!
Über die Ausgaben zum Ulrichsmarkt 1722 berichtet Propst Cajetan von Unertl: am 2. Juli fuhr er in München ab über Forstenried, Aufkirchen und Iffeldorf, wo er zuletzt einkehrte. Abends traf er dann in Habach ein. Seine erste Ausgabe war mit 15 Kreuzern für den Bader vermerkt. Das Fest am 4. Juli war mit allerhand Kosten verbunden. Es mussten Almosen und Besoldungen an die Diener, den Mesner, den Richter, die Leute in der Dekantskuchel, den Kellner, die Stallknechte, den Schulmeister und den Kistler für das Schießen gezahlt werden.
Am 4. Juli 1728 schreibt der Dekan: „Das Ulrichsfest ist in choro vergnüglich, in foro ziemlich wegen vormittags anhaltendem Regen schlecht abgegangen. Der Guardian (Vorsteher) vom Franziskanerkloster in Weilheim hat Predigt und Amt gehalten. Von den Beamten aber zu Weilheim ist außer dem Umgelter niemand erschienen (Umgelter war die Bezeichnung für den Steuerkommissar beim Landgericht Weilheim; das Umgeld war eine indirekte Steuer auf Getränke und Nahrungsmittel). Unser Jäger hat auch 8 Tage vorher St. Ulrich einen Hirschen geliefert, von einem Reh aber haben wir nichts gesehen.
Ein weiterer Festbericht vom 5. Juli 1740 erzählt uns von den Festoffizianten, dass das Fest nach Solemnität (Feierlichkeit) vorbeiging: Prior Leonhard Hohenauer, der spätere Abt des Klosters Benediktbeuern, ein gebürtiger Weilheimer und Bauherr der Anastasiakapelle von Benediktbeuern hielt das Amt, Pater Keller von Polling die Predigt. Weitere Patres aus Schlehdorf, Polling und Benediktbeuern waren anwesend. Obwohl das Wetter schön war, verlief der Jahrmarkt schlecht und es bestand aufgrund fehlender Einnahmen und einer ungewissen Zukunft die Gefahr, dass er abgeschafft (abgewürdigt) werden würde. Doch trotz dieser Schwierigkeiten wird der Jahrmarkt bis heute abgehalten.
Schlechte Zeiten, wie Hungersnöte, Kriege oder Seuchen setzten dem Markt in all den Jahrhunderten zu. Die Leute hatten andere Sorgen und kein Geld für Unterhaltung, das hat sich bis heute nicht geändert.
Durch die Säkularisation 1802 und die wirtschaftlich schlechten Jahre danach hat sich einiges geändert. Im Bayerischen Landboten vom 3.6.1838 wurde eine Bekanntmachung veröffentlicht, laut der der Gefreite (frei von Verpflichtungen) den Jahrmarkt zu Habach, der auf den Ulrichstag, den 4. Juli, gefallen wäre, mit höchster Bewilligung der Regierung von Oberbayern am nächsten Sonntag nach St. Ulrich abhalten durfte. Der Warenmarkt sollte am 8. Juli und der Viehmarkt am Montag darauf, dem 9. Juli, stattfinden. Diese nun mehr neue Regelung soll auch für die künftigen Jahre gelten (gezeichnet Josef Anton Landes, Tafernwirt in Habach). Der montägliche Viehmarkt in Habach dürfte sich vermutlich bis zur Jahrhundertwende gehalten haben.
Eine Statistik des Landgerichts Weilheim aus dem Jahre 1823 gibt Auskunft über die Besetzung mit in – und ausländischen Händlern. So waren 1822 in Habach 46 inländische Gewerbeleute und nur ein ausländischer Gewerbetreibender auf dem Habacher Markt. Die geringe Anzahl an ausländischen Gewerbetreibenden lässt sich vermutlich auf die bayerisch-tirolischen Kriege zurückführen, die nur wenige Jahre zuvor stattgefunden hatten. Während dieser Zeit war es für Tiroler Händler unattraktiv, nach Bayern zu kommen, wodurch sich die Zahl der ausländischen Gewerbeleute verringert haben könnte.
Nach dem 1. Weltkrieg waren alljährlich noch viele Verkaufsstände entlang der gesamten Hauptstraße mit reichem Angebot aufgestellt. In den 1920iger Jahren kamen jetzt Karussells und Schiffschaukeln auf dem alten Sportplatz hinzu. Auf alten Fotos kann die Atmosphäre von damals noch gut nachvollzogen werden. Auf dem Kirchhofbichl saßen viele Besucher und schauten den vergnügten Menschen bei dem bunten Treiben zu.
Nach dem 2. Weltkrieg ging das Interesse und die Besucherzahlen beständig zurück. Die Zeiten hatten sich geändert. Kaufhäuser in den umliegenden Städten und verbesserte Mobilität ließen Jahrmärkte altmodisch erscheinen. Mit einer Verlegung auf das dritte Maiwochenende in den 1950iger Jahren versprach man sich mehr Händler und zugleich mehr Besucher.
1967 kassierte der Kirchenpfleger noch einmal die Standgebühren bei den Schaustellern auf dem Kirchhofbichl ein. Der Ulrichsmarkt in Habach fand zum letzten Male statt. Über 400 Jahre Ulrichsmarkt in Habach war damit Geschichte.