Unser Klima – 
Das Wetter in der Region um Habach im letzten Jahr­tausend

Dr. Josef Freisl, Habach

1. Einleitung

Das Wetter hatte in der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Gegend um Habach einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlergehen der Bevölkerung. Gutes Wetter brachte gute Ernten. Schlechtes Wetter hingegen brachte häufig Missernten und in der Folge davon Unterernährung. Körperliche Missbildungen wie sie aus den Musterungsbüchern der Jahre 1820-1840 zu entnehmen sind, sind nicht selten von der Ursachenkette: schlechtes Wetter – geringe Ernte – unzureichende Ernährung mitbedingt. Unwetter wie Überschwemmungen oder Dürre konnten die harte Arbeit von Jahren zunichte machen.

Aufgrund fehlender oder zu zeitaufwendiger Transportmöglichkeiten konnten Nahrungsmittel bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts (Erfindung der Eisenbahn) nicht über weite Stecken befördert werden. Wetter- und Klimaverhältnisse änderten sich in sehr unregelmäßigen Abständen. Mit den Bauernregeln wollte man das Wetter etwas berechenbarer machen. Die Menschen waren damals wesentlich abhängiger vom Wetter als heute.

Für diese Betrachtungen wurden die Archive und Chroniken unserer Gegend ausgewertet und die historischen Klimaforschungen von Herrn Christian Pfister herangezogen.

Außerdem sollte hier keine wissenschaftliche meteorologische Untersuchung der Klimaveränderungen erfolgen, sondern die Kennzeichnung wesentlicher Wetterperioden und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung.

2. Das Wetter im 11. Jahrhundert

Das elfte Jahrhundert war warm, wahrscheinlich so warm wie das zwanzigste Jahrhundert. Die Alpengletscher waren fast so weit zurückgeschmolzen wie heute. Die Witterungsverhältnisse jener Zeit sind in Chroniken nur sporadisch aufgezeichnet. Großes Echo löste der sehr strenge Winter 1076/1077 aus, weil er die agrarische Wirtschaft in arge Bedrängnis brachte.

Unter dem Stichwort „Canossa“ ist dieser Winter in die Geschichtsbücher eingegangen. Als Kaiser Heinrich IV. durch die Ernennung von Bischöfen an Sonderrechte der römischen Kirche rührte, sprach Papst Gregor VII. über ihn den Bann aus und löste seine Untertanen von ihrem Gehorsamseid. Im Jahre 1079 wurde der Gründer des Stifts Habach Graf Norbert von Hohenwart von Kaiser Heinrich IV. zum Bischof von Chur ernannt.

1076/77 war sehr wahrscheinlich der kälteste Winter des Jahrhunderts. Anfang November fiel in weiten Teilen Europas viel Schnee. Im Verlaufe des Winters bedeckten sich große Flüsse wie der Rhein und die Donau mit einer Eisdecke. Bis gegen Ende März 1077 hielt die Kälte an. Der Strengwinter von 1963, der bisher letzte dieser Art, weist Ähnlichkeiten mit jenem von 1077 auf. Nach intensiven Schneefällen im Dezember 1962 steuerte damals ein weitgehend stationäres Hochdruckgebiet nördlich von Schottland im Januar und Februar extrem kalte und trockene Luftmassen von Osten her gegen Mitteleuropa. Die kalten Luftmassen drangen in den Mittelmeerraum vor und führten im Kontakt mit den atlantischen Störungen zu intensiven Schneefällen, wie dies auch für den Winter 1077 bezeugt ist.

3. Das Wetter im 12. Jahrhundert

Vom zwölften Jahrhundert an bringen Chronisten – im Unterschied zu den frühen Historiographen – die Entwicklung der Vegetation mit der Witterung in Zusammenhang und erkennen dabei Ursache und Wirkung. Die Natur ist damit nicht mehr ausschließlich religiös beschrieben. Im Jahre 1186/1187 war der Winter so warm, dass im Dezember und im Januar viele Bäume blühten. Im Februar bereits setzen die Äpfel an zur Blüte, so eine Wetteraufzeichnung des Klosters Steingaden.

Ein Chronist, vermutlich Friedrich von St. Thomas, Pfarrer in Straßburg und Kaplan König Heinrichs VI., belegt den außerordentlichen Charakter dieses Winters anhand der Vegetationsentwicklung. Seine Beobachtungen dienen dem Umwelthistoriker als Basis für eine Temperaturschätzung: Der Winter 1187 dürfte um 2 Grad wärmer gewesen sein als der wärmste mit Messungen belegte Winter 1834. Er war Höhepunkt einer Warmphase von 1180 bis 1200, in der die Winter rund 0,7 Grad wärmer waren als 1950 bis1980, nicht so warm jedoch wie in den Jahren 1988 bis 1997. Erheblich kälter waren die Winter im frühen zwölften Jahrhundert. Lange Regenperioden im Sommerhalbjahr ließen zwischen 1150 und 1170 und 1191 bis 1196 das Getreide verderben. So zogen 1196 Tausende von Verzweifelten auf der Suche nach Essbarem durch die Lande.

4. Das Wetter im 13. Jahrhundert

„Vom März bis in den August des Jahres 1259 fiel kaum Regen, es herrschte Überfluss an allen Früchten, namentlich an Wein, dergestalt, dass die leeren Fässer in höherem Wert standen als der Wein selbst“, berichtet die Chronik von Speyer. Nur selten berichten Chroniken in unserer näheren Umgebung über das Wetter in den frühen Jahrhunderten. Nach einer Aufzeichnung des Kloster Steingaden war das Frühjahr 1281 mit Schneefall und Kälte bis in den Juli hinein, außergewöhnlich für dieses Jahrhundert. Unter den Bedingungen der vieharmen, auf Getreide ausgerichteten vorindustriellen Landwirtschaft wurden dagegen in heißen und trockenen Sommern die höchsten Erträge an Wein und Getreide eingebracht. Entsprechend stiegen die Naturalabgaben an, die damals die wichtigste Steuerleistung darstellten. Trat das Frühjahr zeitig ein, konnte auf der gleichen Weidefläche zudem ein größerer Viehbestand durchgefüttert werden, was eine bessere Düngung der Felder erlaubte. Die Frühjahrs- und Sommerperioden waren im dreizehnten Jahrhundert überwiegend warm und trocken.

Die Gletscher in den Alpen schmolzen weit zurück. Eine vergleichbare klimatische Gunstphase ist erst im zwanzigsten Jahrhundert wieder aufgetreten. Mit dem zwanzigsten Jahrhundert ist auch das winterliche Klima vergleichbar. Harte Winterfröste waren selten, mittelmeerische Vegetation dehnte sich bis nach Norden aus. Unter diesen günstigen Bedingungen wuchs die Bevölkerung Europas innerhalb von hundert Jahren von 61 auf 73 Millionen an. Die Grundherren konnten dadurch insgesamt mehr an Steuerleistung abschöpfen.

5. Die Landschaft um Habach gegen Ende der letzten Eiszeit vor etwa 14.000 Jahren

Die Gletscher waren in die Alpen zurückgeschmolzen, das Alpenvorland eisfrei. Weit verbreitet herrschten Seen vor. Im Süden (rechts) liegen die Alpen mit Loisachtal, in das das Tal der Eschenlaine mündet, mit Heimgarten und Herzogstand, dem Walchensee und dem Jochberg.

Im Alpenvorland liegen die Hügelketten der gefalteten Molasse (braun) bei Murnau, Habach und Uffing. Weitflächig war die Landschaft von dem Lehm bedeckt, den die Gletscher beim Abschmelzen hinterlassen hatten (hellbraun). Als graue Flächen sind die ehemaligen Schmelzwasserbahnen zu erkennen, die nun teilweise nicht mehr durchflossen wurden. Die Landschaft hat etwa das Aussehen der heutigen Landschaft. Der Unterschied liegt nur in der noch fehlenden flächendeckenden Pflanzendecke.

Mit dem Abschmelzen des Eises blieben zahlreiche große Becken zurück, die der Gletscher ausgeschürft hatte und die nun mit Wasser gefüllt wurden. Einige dieser Seen gibt es heute noch: Staffelsee und Riegsee hatten einen Wasserspiegel, der mindestens 10 m über dem heutigen lag, und damit eine sehr viel größere Ausdehnung. Der Kochelsee (oben) reichte bis dicht vor Sindelsdorf, Benediktbeuern lag an seinem Ufer. Durch Kies, den die Loisach mitbrachte, und Moorwachstum ist der Kochelsee auf seine heutige Größe verkleinert worden. Im Gebiet des heutigen Murnauer und Eschenloher Mooses am Ausgang des Loisachtales, rechts von Murnau, lag ebenfalls ein großer See, in dem die Köchel einzelne Inseln bildeten. Dieser Murnauer See ist inzwischen vollkommen verlandet – durch Torf und Kies. Letzte Reste dieses Sees gab es noch vor 7000 Jahren.

Zahlreiche kleine Seen, die in ehemaligen Toteislöchern lagen, sind inzwischen ebenfalls verlandet.

Die Landschaft um Habach hatte bereits ihr heutiges Aussehen. Das Toteis östlich des Ortes (vergleiche Abbildung 3) war abgeschmolzen und hinterließ die bereits beschriebene Steilkante. Der Heubach, der Nachtgraben und der Sindelsbach konnten nach Osten entwässern, wie sie es heute noch machen.

Langsam wanderten die Pflanzen wieder ein. Die Landschaft war während der Vergletscherung vollkommen vegetationsfrei. Nun aber reichte die Temperatur für eine lückenhafte Tundrenvegetation aus. Im Bereich der feuchten Niederungen wuchs zudem eine erste Moorvegetation.

5. Das Wetter im 14. Jahrhundert

Im April 1315 begann der „unendliche Regen“. Bis Mitte November setzten täglich neue Güsse ein, oft von heftigen Winden und Gewittern begleitet. In ganz Mitteleuropa traten die Flüsse über die Ufer, zahlreiche Menschen ertranken in den reißenden Fluten. Das Getreide wuchs aus, das Heu verfaulte, die Traubenbeeren fielen von den Stöcken. Dem „Jahr ohne Sommer“ folgte 1316 ein weiteres. Europaweit, bis nach Rußland, wütete der Hunger.

Zwischen 1340 und 1380 litt Mitteleuropa erneut unter kühlen und feuchten Sommern. Am schrecklichsten waren die 1340er Jahre. Im August 1342 wurde Deutschland von einer Flut heimgesucht, die in diesem Jahrtausend nicht mehr übertroffen werden sollte. Völlig aus dem Rahmen fielen die Sommer 1345 bis 1347. Es sind die kältesten in diesem Jahrtausend. 1346 stand der Wein in Lindau Anfang August, 1347 sogar Anfang September noch in Blüte. Der extreme sommerliche Wärmemangel in den drei aufeinanderfolgenden Jahren könnte – so die Meteorologen – durch einen gewaltigen Vulkanausbruch in den Tropen verursacht worden sein, den es noch zu entdecken gilt.

Diese ungewöhnlich regenreichen Jahre werden auch in Habach zu schweren Überschwemmungen durch den Heubach geführt haben. Aufgrund der vielen feuchten Böden in der Habacher Flur werden die Ernten „miserabel“ ausgefallen sein. Den Hunger mit all seinen schrecklichen Folgen: Unterernährung, früher Tod und Flucht in vermeintlich bessere Gegenden hat Habach in diesem Jahrhundert erlitten. Die „kleine Eiszeit“ begann um 1300 mit einem Sturz der mittleren Wintertemperaturen von zehn Grad. Nach 1380 dehnte sich das sommerliche Azorenhoch wieder häufiger nach Mitteleuropa aus, der Wein floss reichlicher und schmeckte kräftig.

6. Das Wetter im 15. Jahrhundert

Das Wetter im 15. Jahrhundert zeigte zwei extreme Witterungsverläufe. Das Jahr 1473 gilt zusammen mit dem Jahr 1540 als das heißeste und trockenste des Jahrtausends. Ein regnerischer, schneeloser Winter ging in ein warmes, bei steigendem Sonnenstand zunehmend heißeres Frühjahr über: Erstaunt verfolgten die Chronisten den Vorsprung der Vegetation: Anfang März, fünf Wochen zu früh standen die Kirschbäume in Blüte. Drei Wochen zu früh verblühte Anfang Juni der Wein, Anfang Juli kam die Getreideernte in die Scheunen. Gnadenlos brannte die Sonne auf das Land. Am 30. Juni fiel für neun lange Wochen der letzte Regen. Dürre breitete sich aus: die Brunnen versiegten, das Vieh verschmachtete, das unreife Obst fiel zu Boden. Bäume warfen schließlich ihre Blätter ab, so dass sie unbelaubt dastanden wie mitten im Winter. In vielen Gegenden wird von großen Waldbränden berichtet. Als im Herbst das ersehnte Nass vom Himmel fiel, spross das Gras wie im Frühjahr, die Bäume belaubten sich wieder, ja, manche blühten sogar ein zweites Mal.

Vier Jahre später, 1477, litt Europa unter einer der kältesten Frühjahrsperioden des Jahrtausends. Viel Vieh verhungerte in den Ställen. Erst Ende März setzte Tauwetter ein. Der Bodensee blieb bis zu diesem Zeitpunkt eisbedeckt. Dies spricht für anhaltende Zufuhr von kalt-trockener Kontinentalluft aus Norden und hochwinterliche Verhältnisse. Um 1430 ging eine fünfzigjährige sommerliche Warmperiode zu Ende, in deren Verlauf die alpinen Gletscher von den Hochständen des vierzehnten Jahrhunderts zurückschmolzen.

In den Jahren 1437/ 38 berichten die Chronisten aus unserer Gegend von „Misswuchs“ durch viel Regen und Kälte und großem Elend der Bevölkerung. Brot wurde in Nußgröße verkauft.

7. Das Wetter im 16. Jahrhundert

„Es ist kein beständiger Sonnenschein, die Früchte auf Erden werde nicht mehr so reif, als sie ehezeit gewesen. Die Fruchtbarkeit aller Kreaturen geht zurück, das Feld und der Acker sind des Fruchttragens müde geworden und gar ausgemergelt, von dannenher die große Teuerung und Hungersnot sich verursacht.“ Anhand dieser und anderer Vorzeichen belegte Daniel Schaller, Pfarrer in Stendal (Altmark), 1595 seine Überzeugung, daß der Untergang der Welt nahe sei. Aus anderen Teilen Mitteleuropas sind ähnlich lautende Berichte überliefert, die auf eine Klimaveränderung am Ende des sechzehnten Jahrhunderts hindeuten. Die historische Klimaforschung hat den harten Kern dieser Eindrücke belegt: Winter und Frühjahr waren im sechzehnten Jahrhundert durchweg kälter als im zwanzigsten.

Nach 1580 dehnte sich das Azorenhoch seltener nach Mitteleuropa aus, während in den Wintermonaten klirrende Kälte bei nordöstlichen Winden und Schneefall vorherrschten.

Immer wieder berichten Chronisten von Spätfrösten und starken Niederschlägen. Für das Jahr 1598 notierten viele Klösterarchive aus unserer Gegend von schweren „Mißwuchs“ und großen Hunger, Brot wurde aus Baumrinde hergestellt. Um 1600 kam das Bevölkerungswachstum in Deutschland zum Stehen. Große Teile der Bevölkerung verarmten.

Von der Schweiz bis nach Ungarn brach zwischen 1585 und 1600 der Weinbau zusammen. Die Tropfen waren sauer und unerschwinglich teuer. Kein Wunder, dass der Wein als alkoholisches Hauptgetränk vom Bier verdrängt wurde. In Tölz entstanden in kurzer Zeit 32 Brauereien. Um diese Zeit setzte sich das Bier endgültig in Bayern durch. Der Weinanbau wurde eingestellt.

8. Das Wetter im 17. Jahrhundert

1617 herrschte große Trockenheit, der Achgraben führte so wenig Wasser, dass die fünf Habacher Mühlen nicht mehr mahlen konnten. Zwischen 1675 und 1700 waren die Winter fast zwei Grad kälter und erheblich trockener als heute. Verantwortlich für die häufigen Eiswinter waren stationäre Hochdruckgebiete über dem Baltikum. Wärmere und kältere Sommer wechselten in kurzer Folge, die Durchschnittstemperatur entsprach etwa jener in der Periode von 1901-1960. Die Trendwende hatte um 1630 eingesetzt. Vorher, in den Jahren 1618 bis 1628, hatten sich kühle und feuchte Sommer gehäuft. Für landwirtschaftlich geprägte Gesellschaften war dies nicht nur von Vorteil, denn milde Winter waren mit einer Zunahme von Rattenflöhen, den Überträgern der Pest, verbunden. Vielleicht war es nur Zufall, dass Mitteleuropa gerade in dieser Zeit wiederholt von verheerenden Pestwellen heimgesucht wurde.

In unserer Gegend wütete die Pest besonders stark in den Jahren 1634-1635. Hinzu kam noch ein sehr feuchtes, kaltes Frühjahr und eine große Mäuseplage. Viele Menschen starben. Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 tauchte die Pest noch einmal auf. Die Chroniken vermerken 1648-1650 Missernten durch feuchte, kalte Sommer. In den Jahren 1640 – 1680 wird immer wieder von Wolfs-, Wildschwein- und Mäuseplagen berichtet, die die harte Arbeit der Bauern zusätzlich erschwerten und die spärlichen Ernteerträge reduzierten. In Sindelsdorf legten sie am Ortsrand Fallgruben an, um so das Dorf vor den hungrigen Wölfen zu schützen. Am 2.September 1645 wurde gegen die überhandnehmende Wolfsplage eine großräumige Drückjagd angeordnet. Die Bauern wurden zur Teilnahme gezwungen. Sie beklagten sich, dass sie tagelang unterwegs sein mussten und nicht einmal genug Brot von den Jagdherren bekämen.

9. Das Wetter im 18. Jahrhundert

Im Oktober 1739 fiel so strenge Kälte über Deutschland ein, dass in Halle (Saale) die hart gefrorenen Felder nicht mehr gepflügt werden konnten. Heizmaterial wurde für die meisten Haushalte unerschwinglich teuer. Ungezählte Menschen erfroren in den bitterkalten Nächten. Das Winterhalbjahr 1739/40 war das kälteste in den letzten 500 Jahren. Die größten Verluste an Menschenleben infolge Kälte und Unterernährung hatten die nordeuropäischen Länder zu beklagen. 1739 wurde auch über verheerende Regen- und Hagelschauer im Gebiet des Kloster Benediktbeuern berichtet. Extreme arktische Kälte mit eisigen Winden zog im Januar 1709 über Mitteleuropa. Bitterkalt war auch der Winter 1788/89 im Vorfeld der Französischen Revolution. Zwischen 1752 und 1778 gab es gleich sechs Sommer, in denen langanhaltender Regen und Hagelschauer große Teile der Ernte vernichteten. „Es ist kaum das Samengetreide aufzubringen“ vermerkt der Chronist 1778 im Kloster Steingaden.

1770/71 herrschte in Bayern eine sehr schlimme Missernte infolge sehr starker Regenfälle. In weiten Gebieten litten Menschen und Tiere an großen Hunger. Zugtiere waren teilweise so geschwächt, dass sie nicht mehr zur Zugarbeit eingespannt werden konnten. Eine inflationäre Teuerung der Lebensmittel war die Folge. Kalttrockene, von Hochdruckgebieten über der Nordsee dominierte Winter- und Frühjahrsperioden sind für das Klima des achtzehnten Jahrhunderts kennzeichnend. Zu Beginn des Jahrhunderts nahm die Sonnenaktivität stark zu. Dies kam den Sommern zugute, von denen einige 1718, 1719, 1724 zu den heißesten und trockensten der letzten Jahrhunderte gehörten. 1735 brach der kleine Wärmegipfel ab und mit ihm die günstige Agrarkonjunktur der 1720er und frühen 1730er Jahre.

10. Das Wetter im 19. Jahrhundert

Am 11.April 1815 explodierte der Vulkan Tambora östlich von Java. 150 Kubikkilometer Asche wurden hochgeschleudert. Sie verdunkelten die Sonne bis nach Indien. Zehntausende von Menschen erlitten den Tod. Ein Teil der Aschenwolke wurde in der Stratosphäre von Höhenwinden verteilt. In den folgenden zwei Jahren reflektierte dieser Ascheschleiher einen Teil des Sonnenlichts. In Europa drang arktische Kaltluft von Island bis zu den Alpen vor, stürzte als eisiger Fallwind durchs Rhonetal hinunter und breitete sich bis nach Tunesien aus. In Mitteleuropa ging ein großer Teil des Jahresniederschlags in der kritischen Periode von Mai bis September nieder, die Heuernte verschimmelte, das Getreide wuchs aus. Die halbreifen Trauben wurden Anfang November gelesen. Am meisten litt das Alpengebiet, wo es bis in die Täler hinunter schneite. Im folgenden Jahr stiegen die Getreidepreise rasant an. Immer mehr Menschen starben durch unzureichende Nahrung und Schwäche, es konnten nur noch leichte Arbeiten verrichtet werden. Es wurden weniger Kinder geboren. Im Juli 1817 stieg der Bodensee auf seinen bisherigen Höchststand.

Die große Hungersnot verhalf auch bei uns dem Kartoffelanbau zum Durchbruch. Zu jener Zeit gab es noch keine Transportmöglichkeit für Nahrungsmittel über weite Strecken, wie die Eisenbahn rund 50 Jahre später.

Im August 1845 gab es besonders schwere Hochwasserschäden durch den Achgraben – so stand im alten Thomamühler-Haus das Wasser 1.30 Meter hoch.

Kalte Frühjahrperioden, Sommer und Herbste drückten der ersten Hälfte des Jahrhunderts ihren Stempel auf. Ein letzter Rückfall der „kleinen Eiszeit“ um 1850 löste in Mitteleuropa Missernten aus.

11. Das Wetter im 20. Jahrhundert

Bei Unwettern der letzten tausend Jahre gab es immer wieder Hochwasserschäden durch den nicht regulierten Heubach und Achgraben. In den Häusern entlang des Heubach stand das Wasser oft ein halben Meter hoch. Schwere Unwetter mit Hochwasser gab es in diesem Jahrhundert 1905, 1924 und 1960. Bis 1970 traten in unregelmäßigen Abständen immer wieder schwere Schäden an Haus und Flur durch Hagelschlag auf. Seit 1971 wurde kein Hagelunwetter in unseren Fluren mehr registriert. 1991 fegte ein starker Atlantiksturm zwei Tage über unsere Gegend viele Bäume, ja ganze Wälder wurden entwurzelt.

Bis 1987 erfolgte die Erwärmung jahreszeitlich gestaffelt und war von Rückschlägen unterbrochen. Von 1896 an wurden die Winter wärmer und niederschlagsreicher, von 1920 an wurden die Herbste, von 1930 an die Sommer wärmer und trockener. 1962/63 trug der Bodensee letztmals eine Eisdecke.

Im Jahr 1988 erfolgte die klimatische Wende. Seitdem ist die mittlere Jahrestemperatur um 1 Grad Celsius angestiegen. Das Jahrzehnt 1988 bis 1997 ist nicht nur das wärmste in den letzten 500 bis 800 Jahren, erstmals sind auch die kalten Abweichungen weggeblieben. In den vorangegangenen 490 Jahren hatten sie stets zum Bild des natürlichen Klimas gehört. Der außergewöhnliche Erwärmungsschub des jüngsten Jahrzehnts beschränkt sich nicht auf das südliche Mitteleuropa: Auf der nördlichen Hemisphäre lag die Durchschnittstemperatur der drei Jahre 1990, 1995 und 1997 höher als in jedem anderen Jahr seit 1400. Das Jahr 1998 war sogar das wärmste dieses Jahrtausends. Sollte sich der Trend zu mehr Wärme und Feuchtigkeit fortsetzen, dürften die Klimatologen in zwanzig oder dreißig Jahren die Wende von 1988 als Übergang zum „Treibhausklima des 21. Jahrhunderts“ bezeichnen.

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